Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob es die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann, wenn ein Richter den anwaltlich vertretenen Kläger darauf hinweist, dass die zweifelhafte Frage, ob er aktivlegitimiert sei, durch Abtretung gelöst werden könne.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 139

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 7 O 966/06)

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem Telefondienstvertrag auf Schadensersatz in Anspruch, weil die Beklagte ohne Absprache die Nummer ihres Telefaxanschlusses ausgetauscht habe und unter anderen ihrem Ehemann, einem Arzt, drei Wochenenddienste in einer Notdienstzentrale entgangen seien.

Das LG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Erörterung der Sach- und Rechtslage aber noch im Rahmen der Güteverhandlung der Klägerin "aufgegeben", Unterlagen über die letzten drei Notdienstwochenenden etwa in Form von Überweisungsbelegen vorzulegen. In der nach der Verhandlung erfolgten schriftlichen Bestimmung des Haupttermins hat der als Einzelrichter tätige Vorsitzende Richter am LG folgenden Hinweis gegeben: "Das Problem der Aktivlegitimation kann auch durch eine Abtretung gelöst werden."

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.10.2006 die Ablehnung des Richters wegen Befangenheit "erklärt" und dies u.a. damit begründet, dass der Hinweis auf die Möglichkeit der Abtretung seine Befugnisse nach § 139 ZPO überschritten habe und es ihm deshalb an der gebotenen Neutralität und damit der erforderlichen Unvoreingenommenheit fehle.

Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss das Ablehnungsgesuch mit der Begründung zurückgewiesen, der Hinweis auf die Möglichkeit einer Abtretung unterfalle der durch die neu gefassten §§ 139, 273, 278 Abs. 2 ZPO gebotenen richterlichen Aufklärungspflicht und könne deshalb die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, der das LG nicht abgeholfen hat.

II. Die Beschwerde ist nach § 46 Abs. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde ist in der Sache jedoch nicht begründet. Das LG hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am LG für nicht begründet erklärt.

Die Besorgnis der Befangenheit ist nach § 42 Abs. 2 ZPO dann gegeben, wenn Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Misstrauen in die unparteiliche Amtsausübung des Richters rechtfertigen können nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger und besonnener Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber; rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Ablehnenden genügen nicht.

Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. etwa BGH v. 19.12.2002 - V ZB 61/02, BGHReport 2003, 403 = MDR 2003, 592 m.w.N.).

1. Ein solcher Umstand ist im vorliegenden Fall nicht darin zu sehen, dass der abgelehnte Richter in der Terminsverfügung vom 6.10.2006 die Parteivertreter darauf hingewiesen hat, dass das Problem der Aktivlegitimation durch eine Abtretung "gelöst" werden könne.

a) Es kann dahin gestellt bleiben, ob dieser Hinweis des Vorsitzenden Richters schon deshalb keine Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen vermag, weil er durch die richterliche Hinweis- und Hinwirkungspflicht nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO geboten war. Diesbezüglich ist nämlich streitig, ob es nach dieser Bestimmung nicht nur geboten ist, die Parteien darauf hinzuweisen, warum Zweifel an der Aktivlegitimation bestehen, sondern ob der Richter auch berechtigt und verpflichtet ist, die klagende Partei, insbesondere die anwaltlich vertretene Partei, darüber zu unterrichten, dass sie dieses Hindernis durch eine nachträgliche Abtretung vom Berechtigten im laufenden Prozess beheben kann (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 66. Aufl., § 42 Rz. 26 m.w.N.; Musielak/Stadler, ZPO, 5. Aufl., § 139 Rz. 9 m.w.N.).

Selbst wenn nämlich der Hinweis des Vorsitzenden nicht durch die richterliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO gedeckt wäre, muss dies nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Beklagte aufgrund dessen die Unvoreingenommenheit des Richters befürchten muss. Selbst ein Verfahrensverstoß bei der Prozessleitung rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Annahme der Befangenheit des Richters. Dies ist nur dann der Fall, wenn es sich um einen groben Verfahrensfehler handelt, der nach seinem Inhalt (etwa bei einem Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte) oder nach den Gesamtumständen als Ausdruck der Voreingenommenheit ggü. der betroffenen Partei aufgefasst werden muss (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rz. 24 und 28 m.w.N.).

b) Nach den Gesamtumständen konnte hier indes der Hinweis des abgelehnten Richters nicht die ernstliche Befürchtung der Beklagten wecken, der abgelehnte Richter sei ihr gegenüber voreingenommen. Für diese Annahme ist es nämlich nicht ausreichend, dass der Hi...

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