Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung: Befangenheit des erstinstanzlichen Richters durch Äußerungen über das Berufungsurteil nach Aufhebung und Zurückverweisung

 

Leitsatz (amtlich)

Sind die Äußerungen des erstinstanzlichen Richters über ein Berufungsurteil, mit dem das erstinstanzliche Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und zurückverwiesen wurde, geeignet, bei den Parteien den Eindruck zu erwecken, das erstinstanzliche Gericht werde erneut in der vom Berufungsgericht beanstandeten Weise verfahren, kann dies einen berechtigten Ablehnungsgrund darstellen.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 44, 375, 563

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der X. Zivilkammer des Landgerichts 01 vom 28.12.2017 teilweise abgeändert.

Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter A wird für begründet erklärt.

 

Gründe

I. Die Kläger machen gegen die Beklagten Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche aus einem Grundstückskaufvertrag geltend.

Die X. Zivilkammer des Landgerichts 01 (Az. ...) hat mit Urteil vom 12.8.2015 der Klage - unter Abweisung im Übrigen - in Höhe von 65.448,97 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit am 29.3.2017 verkündetem Urteil das vorgenannte Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass das Urteil auf wesentlichen Mängeln beruhe und auf Grund der festgestellten Mängel eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich werde, weshalb das angefochtene Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO aufzuheben und die Sache an das Landgericht zur weiteren Verhandlung zurückzuverweisen sei. Die wesentlichen Verfahrensmängel hat das Oberlandesgericht nach den getroffenen Feststellungen im Wesentlichen darin erblickt, dass das Landgericht im ersten Rechtszug zu entscheidungserheblichen Beweisthemen sowohl von den Klägern als auch von der Beklagten - gegenbeweislich - benannte Zeugen ohne Begründung nicht vernommen habe, worin ein Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs liege (Art. 103 Abs. 1 GG). Weiterhin stellt das Oberlandesgericht in den Gründen seiner Entscheidung unter anderem fest, dass die erstinstanzliche Beweiserhebung auch im Zusammenhang mit der Übertragung der Durchführung der Beweisaufnahme auf eines der Kammermitglieder als beauftragtem Richter gemäß § 375 Abs. 1 a ZPO verfahrensfehlerhaft gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Berufungsurteil (Bl. 1210 - 1227 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 5.9.2017 an die Parteien gemäß einer Verfügung vom selben Tag (Bl. 1254 - 1259 d.A.) hat der abgelehnte Richter A unter anderem zur Verfahrensweise des Oberlandesgerichts im Zusammenhang mit der Übertragung der Sache auf den Einzelrichter im streitgegenständlichen Berufungsverfahren sowie zum Inhalt des Berufungsurteils Stellung genommen. Hierbei äußerte er unter anderem die Ansicht, dass "die Ausführung des Einzelrichters im OLG-Urteil (...) Unsinn (sei)", wonach die Übertragung der Beweisaufnahme auf ein Kammermitglied als beauftragtem Richter gemäß § 375 Abs. 1 a ZPO bereits deshalb verfahrensfehlerhaft gewesen sei, weil nicht von vornherein davon habe ausgegangen werden könne, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck sachgerecht zu würdigen vermag. Darüber hinaus kündigte er an, dass die Kammer auch weiterhin von der Möglichkeit des § 375 Abs. 1 a ZPO Gebrauch machen müsse, da sie erheblich überlastet sei und im Übrigen den Kammermitgliedern nicht abverlangt werden könne, an sämtlichen Zeugenvernehmungen teilzunehmen.

Mit Schriftsatz vom 29.9.2017 (vgl. Bl. 1262 - 1266 d.A.) hat die Beklagte den Richter A, den Richter B und die Richterin C wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, da der Inhalt der Verfügung des ... vom 5.9.2017 gegen die Pflicht des Richters zu einer unvoreingenommenen und neutralen Amtsführung verstoße und hierdurch das richterliche Vertrauensverhältnis beeinträchtigt sei. Dies ergebe sich zum einen aus der in weiten Teilen unsachlichen Kritik an der Begründung des Berufungsurteils und zum anderen daraus, dass durch (...) in der Verfügung angekündigt werde, dass bei der erneuten Durchführung der Beweisaufnahme in gleicher Weise wie bisher, nämlich durch Übertragung der Beweisaufnahme auf einen "ersuchten" Richter (gemeint ist beauftragter Richter) verfahren werden solle, obwohl das Berufungsgericht diese Verfahrensweise ausdrücklich als verfahrensfehlerhaft bezeichnet habe. Das beharrliche Festhalten der erstinstanzlichen Richter an der vom Rechtsmittelgericht für unrichtig erklärten Rechtsansicht und die Ankündigung einer erneut evident verfahrensfehlerhaften Durchführung der Beweisaufnahme sowie die vom (...) "in überzogener, unsachlicher Wortwahl" geübte Kritik an der Entscheidung des Berufungsgerichts wögen so schwer, dass die Besorgni...

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