Leitsatz (amtlich)

Die Verjährung titulierter Kindesunterhaltsansprüche ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Berechtigten gehemmt (§ 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a BGB); sie sind auch nicht verwirkt (§ 242 BGB), wenn der Beistand des Berechtigten ausschließlich wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zwar von einer Vollstreckung absieht, aber stets zu erkennen gibt, dass das Kind an seinen Ansprüchen festhält.

Das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment kann bei Ansprüchen auf Zahlung rückständigen Unterhalts dann gegeben sein, wenn der Gläubiger von einer erstmaligen gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche absieht, weil das Einkommen des Schuldners unter dem Selbstbehalt liegt, nicht aber, wenn die Rückstände bereits tituliert sind (Abgrenzung zu BGH FamRZ 2018, 589-592).

 

Normenkette

BGB § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a, § 242; ZPO § 767

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 464 F 10147/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Bei dem Antragsteller handelt es sich um den leiblichen Vater der ... 1997 geborenen Antragsgegnerin. Der von ihm zu leistende Kindesunterhalt wurde zugunsten seiner damals unter Beistandschaft des Jugendamts stehenden Tochter mit Jugendamtsurkunde vom 19.01.1998 mit 100 % des seinerzeit geltenden Regelbetrags tituliert. Der Antragsteller heiratete, bekam mit seiner Frau ..., ... und ... drei (weitere) Kinder und erwarb im Jahre 2000 ein Hausgrundstück. Über den Grundstückserwerb informierte er den Beistand nicht. Die Antragsgegnerin bezog vom 01.07.2005 bis zum 31.10.2009 Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse, Unterhaltsansprüche iHv. 8.553 EUR gingen nach § 7 UVG auf diese über. Nach Eintritt ihrer Volljährigkeit forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller erstmals im Oktober 2016 vergeblich zur Zahlung der auf sie entfallenden Rückstände von 29.823,24 EUR auf und leitete im Jahre 2017 die Zwangsvollstreckung gegen ihn ein.

Der Antragsteller will die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin aus der genannten Urkunde vor dem Familiengericht für unzulässig erklären lassen, beruft sich zur Begründung auf Verjährung und Verwirkung der Unterhaltsansprüche und beantragt für die beabsichtigte Rechtsverfolgung die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Das Familiengericht hat den Antrag mit Beschluss vom 31.10.2018 zurückgewiesen und seine Entscheidung mit den fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache begründet. Zu den Einzelheiten wird auf den weiteren Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen die am 25.10.2018 zugestellte Entscheidung legt der Antragsteller mit Schriftsatz vom 09.11.2018, Eingang beim Amtsgericht am 11.11.2018, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags sofortige Beschwerde mit dem Antrag ein,

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 25.10.2018 dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.

Zum weiteren Sachvortrag der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache auch im Lichte des Beschwerdevorbringens ohne Erfolg.

Das Familiengericht hat dem Antragsteller zu Recht die begehrte Verfahrenskostenhilfe für seinen Antrag auf Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Jugendamts Frankfurt am Main vom ... 1998 (UR-Nr. ...) und die dazugehörigen Folgeanträge unter Hinweis auf deren fehlende Erfolgsaussichten versagt, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 ff. ZPO. Die von ihm gegen den titulierten Kindesunterhaltsanspruch erhobene Einrede der Verjährung und auch der Einwand der Verwirkung tragen nicht.

Der Anspruch ist nicht nach §§ 195, 197 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB verjährt, auch nicht beschränkt auf den bis zum 31.12.2014 aufgelaufenen Unterhaltsrückstand, weil die Verjährung nach § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) BGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres der Antragsgegnerin im Oktober 2018 gehemmt war. Bei der Antragsgegnerin und Anspruchsinhaberin handelt es sich um die leibliche Tochter des Schuldners, so dass ihre titulierten Ansprüche bis zu diesem Zeitpunkt dem Schutz des § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) unterfallen. Bereits im Jahre 2017 hatte die Antragsgegnerin aber die Zwangsvollstreckung mit der Folge eines Neubeginns der - bis heute nicht abgelaufenen - dreijährigen Regelverjährungsfrist eingeleitet, § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Es fehlt an dem erforderlichen Umstandsmoment. Ob es, wie das Familiengericht zur Begründung der angefochtenen Entscheidung vom 25.10.2018 ausführt, für die Verwirkung auch an dem erforderlichen Zeitmoment fehlt, kann dabei ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Antragsteller als Schuldner dadurch eine Vertrauensdisposition getroffen hat, dass er eine Immobilie erworben hat und dadurch eine langfristige Verbind...

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