Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung einer Pflichtteilsstrafklausel

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Aufforderung zur Nachbesserung des seitens des Pflichtteilsberechtigten vom Erben angeforderten Nachlassverzeichnisses führt in der Regel noch nicht zur Verwirkung des Erbanspruchs nach dem Längstlebenden, sofern die Pflichtteilsstrafklausel vorsieht, der Pflichtteil müsse hierzu vom Längstlebenden gefordert werden.

 

Normenkette

BGB §§ 2303, 2314

 

Verfahrensgang

AG Dillenburg (Beschluss vom 21.07.2021)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgericht Dillenburg vom 21. Juli 2021 abgeändert. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 5) wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Antragstellerin, Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 140.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am XX.XX:2020 in Stadt1 verstorbene Erblasserin war mit dem vorverstorbenen B Nachname1 verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, nämlich die Beteiligten 2), 3) und 5) sowie der am 7. Dezember 2015 vorverstorbene C Nachname1. Dessen Kinder sind die Beteiligten zu 1) und 4).

Die Eheleute errichteten am 16. März 2007 ein handschriftliches und vom Nachlassgericht eröffnetes Testament (Bl. 7 d. TA). Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre vier Kinder als Schlusserben ein. Ferner enthält die letztwillige Verfügung eine sogenannte Pflichtteilsverwirkungsklausel. Wörtlich heißt es:

"Sollte eines unser Kinder nach dem Tode des Erstverstorbenen den Pflichtteil fordern, so erhält es beim Tode des Letztverstorbenen ebenfalls nur das Pflichtteil".

Nach dem Tod des Ehemanns hat sich die Beteiligte zu 1) mit Schreiben ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Juli 2018 an die Erblasserin gewandt und zur Vorbereitung einer Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem verstorbenen Ehemann der Erblasserin einen Auskunftsanspruch als gesetzliche Miterbin des Ehemanns geltend gemacht (Bl. 108 d. A.). Diesen Auskunftsanspruch wiederholte sie nach Einsichtnahme in das gemeinschaftliche Testament mit Schreiben vom 29. August 2018 und stützte ihn diesmal auf ihre Stellung als Pflichtteilsberechtigte, wobei sie der Erblasserin eine Frist bis zum 10. September 2018 zur Erstellung eines entsprechenden Nachlassverzeichnisses setzte (Bl. 104 d. A.). Mit Schreiben vom 14. September 2018 übersandten die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Erblasserin der Beteiligten zu 1) ein Nachlassverzeichnis (Bl. 179 f. d. A.), dass diese mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 als unzureichend zurückwies und Nachbesserung bis zum 19. Oktober 2018 anmahnte sowie zugleich einen Wertermittlungsanspruch hinsichtlich einer im Nachlass sich befindenden Immobilie geltend machte (Bl. 97 ff. d. A.). Darauf reagierten die Verfahrensbevollmächtigten der Erblasserin mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2018, machten ihrerseits Gegenansprüche gegen die Beteiligte zu 1) geltend und schlugen eine gütliche Einigung vor (Bl. 92 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 30. November 2018 wies der Verfahrensbevollmächtigte der Erblasserin gegenüber den Rechtsanwälten der Beteiligten zu 1) darauf hin, dass man längere Zeit nichts mehr gehörte habe und man daher davon ausginge, dass die Beteiligte zu 1) die Sache nicht weiterbetreiben wolle (Bl. 146 d. A.). Weiterer Schriftverkehr erfolgte nicht.

Einem Aktenvermerk vom 1. April 2019 zufolge äußerte die Beteiligte zu 1) gegenüber ihren Verfahrensbevollmächtigten sodann am 29. März 2019, dass sie in jedem Fall den Pflichtteil in Höhe von 2.542,52 EUR gerichtlich geltend machen wolle, aber kurz darauf am 1. April 2019 mitgeteilt habe, dass keine Klage eingereicht werden solle (Bl. 72 f. d. A.). Die Angelegenheit wurde dann von ihr tatsächlich nicht weiterverfolgt. Insbesondere kam es weder zu einer Klageerhebung noch zu einer Auszahlung eines Pflichtteils.

Nach dem Tod der Erblasserin hat die Beteiligte zu 5) einen Erbschein beantragt, der sie und die Beteiligten zu 2) bis 4) als Erben zu gleichen Teilen ausweisen soll. Zur Begründung hat sie sich auf die letztwillige Verfügung der Eheleute berufen und vorgebracht, die Beteiligte zu 1) habe ihren Pflichtteil geltend gemacht, weswegen sie aufgrund der Pflichtteilsverwirkungsklausel von der Erbfolge ausgeschlossen sei, so dass nur ihr Bruder, der Beteiligte zu 4) als Ersatzerbe für den vorverstorbenen C Nachname1 zu berücksichtigen sei. Dem Antrag ist die Beteiligte zu 1) mit dem Argument entgegengetreten, der Pflichtteil sei von ihr nicht geltend gemacht worden und der Auskunftsanspruch löse die Sanktion der Klausel noch nicht aus.

Das Nachlassgericht hat die Beteiligte zu 1) angehört. Hinsichtlich deren Angaben wird auf Bl. 64 d. A. verwiesen. Sodann hat das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, die für die Erteilung des beantragten Erbscheins...

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