Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 08.02.2008)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Düsseldorf vom 8.2.2008 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz ausschließlich darüber, ob der Kläger, der in Folge eines Unfalls am 8.6.2003 unstreitig die Sehfähigkeit auf dem rechten Auge vollständig verloren hat, dennoch einen Invaliditätsgrad von 50 %, der zu einer Leistungspflicht aus der bei der Beklagten unterhaltenen privaten Unfallversicherung führen würde, nicht erreicht, weil gem. Nr. 2.1.2.2.3 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AUB 2000 die Sehkraft seines rechten Auges bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt war. Insoweit ist nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das LG in der Berufungsinstanz unstreitig, dass infolge von Kurz- und Stabsichtigkeit die Sehkraft seines rechten Auges ohne Sehhilfe 0,05 betrug und mit Sehhilfe - der Kläger war vor dem Unfall jedenfalls seit November 1999 Brillenträger - 0,9. Der Kläger hat geltend gemacht, dass mit Blick auf die Möglichkeit eines refraktiv-chirurgischen Eingriffs mittels Laser die aussichtsreiche Möglichkeit zu einer vollständigen Beseitigung des Sehfehlers bestanden habe und deshalb die Funktion seines rechten Auges vor dem Unfall nicht dauernd beeinträchtigt gewesen sei, wie es Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 für die Minderung des Invaliditätsgrads um die Vorinvalidität erfordere.

Dem ist das LG nach Einholung von Sachverständigengutachten gefolgt und hat die Beklagte unter Zugrundelegung eines Invaliditätsgrads von 50 % zu einer Invaliditätsleistung i.H.v. 6.000 EUR verurteilt. Die Minderung der Hörfähigkeit auf dem rechten Ohr des Klägers hat es hingegen als nicht unfallbedingt angesehen, was in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien nicht mehr streitig ist.

Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, mit Blick auf den dauerhaften Augenfehler des Klägers vor dem Unfall sei ein Vorinvaliditätsgrad von mindestens 3 % zu berücksichtigen. Bei Bemessung der Vorinvalidität könne entgegen der Ansicht des LG eine nicht vorgenommene, nicht duldungspflichtige und nicht in jedem Falle erfolgreiche Heilbehandlung nicht berücksichtigt werden.

Dem folgt der Senat. Er hält an seiner Auffassung (vgl. Senat R+S 2006,164) fest, dass - entsprechend der Rechtsprechung des BGH (VersR 1983, 581; 1990, 478) - bei der Beurteilung der Gebrauchsfähigkeit eines Auges grundsätzlich von der durch eine Brille oder sonstige Sehhilfe korrigierten Sehkraft auszugehen ist, hiervon jedoch ein Abschlag für die Gebrauchsminderung vorzunehmen ist, die sich aus der Notwendigkeit des Tragens einer Sehhilfe und den damit generell verbundenen Belastungen ergibt. Davon abzugehen besteht auch unter Berücksichtigung der Fortschritte, die in der Brillen- und Kontaktlinsentechnik seit der Leitentscheidung des BGH zu verzeichnen waren, keine Veranlassung. Die mit dem Tragen einer Brille oder Kontaktlinsen verbundenen Beeinträchtigungen fallen auch dann ins Gewicht, wenn es sich um die in dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten beschriebenen modernen Kontaktlinsen handelt, die jeweils 30 Tage ununterbrochen im Auge verbleiben. Derartige Kontaktlinsen werden nicht von jedem vertragen, auch der Kläger hat sich vor dem Unfall nicht für Kontaktlinsen, sondern für das Tragen einer Brille entschieden. Zudem entfallen auch bei derartigen Linsen die mit der Reinigung, Desinfizierung und erneuter Einsetzung der Linse einhergehenden Belastungen nicht vollständig; diese Vorgänge müssen zwar weniger häufig, wegen des Infektionsrisikos aber besonders sorgfältig vorgenommen werden. Ebenso wie bei der Brille bestehen auch bei modernen Kontaktlinsen die vom BGH in seiner Leitentscheidung angesprochenen psychischen Beeinträchtigungen durch Abhängigkeit von der Sehhilfe, die Gefahr von Beschädigung und Verletzung durch sie sowie der drohende Verlust mit der Folge, als Kontaktlinsenträger vorübergehend in hohem Maß invalide zu werden.

Dies führt dazu, dass wegen der erheblichen Stab- und Kurzsichtigkeit des Klägers auf dem rechten Auge, die auch bei Korrektur durch eine Sehhilfe nur eine eingeschränkte Sehkraft von 0,9 ermöglichte, der Invaliditätsgrad durch den vollständigen Verlust der Sehkraft auf dem rechten Auge, der nach der Gliedertaxe mit 50 % zu bemessen ist, um eine Vorinvalidität von 3 % gemindert ist. Dass vor dem Unfall die abstrakte Möglichkeit bestand, die Sehkraft durch einen refraktiv-chirurgischen Eingriff mittels der LASIK-Methode vollständig wiederherzustellen, ändert hieran nichts. Da der Kläger einen derartigen Eingriff trotz der jedenfalls seit mehr als 3 Jahren vor dem Unfall bestehenden Sehschwäche nicht vornehmen ließ, ist die Funktionsmin...

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