Leitsatz (amtlich)

1. Medikamentation bei einer leukozytoklastischen Vaskulitis. Zulässigkeit der Gabe von Dapson.

2. Umfang der Pflicht zur Aufklärung des Patienten über seltene Risiken einer medikamentösen Behandlung. Maßgeblich ist, ob es sich um typische Risiken handelt.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 3 O 444/98)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 1.3.2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten werden zu 70 % der Klägerin zu 1) und zu je 15 % den Klägern zu 2) und 3) auferlegt.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin zu 1) darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 7.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Kläger zu 2) und 3) dürfen die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 1.500 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Die Kläger sind die Erben – Witwe und Söhne – des am 26.5.1935 geborenen und am 17.8.1994 verstorbenen Herrn H.S. Der Erblasser litt seit 1986 unter einer leukozytoklastischen Vaskulitis und wurde deswegen mit einer Langzeitkortikoid-Therapie (Prednisolon) behandelt. Im Januar 1988 wurde der Patient von seinem Hausarzt Dr. B. in der medizinischen Klinik und Polyklinik – Abteilung für Endokrinologie und Rheumatologie vorgestellt. Die Ärzte der medizinischen Klinik teilten in ihrem Bericht vom 25.2.1988 an den Hausarzt mit, dass die Behandlung mit Kortikoiden zu einer erniedrigten Knochendichte geführt habe und die Medikation mit Prednisolon angesichts der Osteoporose kritisch zu beurteilen sei. Falls von dermatologischer Seite zu vertreten, solle ein Kortison-Auslass-Versuch unternommen werden. Am 29.2.1988 wurde der Patient in der Hautklinik der Beklagten stationär aufgenommen. Im Rahmen einer umfangreichen Blutuntersuchung ergab sich ein erniedrigter Hämoglobin-Wert von 11,8 g/dl. Die Vaskulitis wurde äußerlich mit Salben und Bädern behandelt; als interne Medikation erhielt der Erblasser trotz starker Rückläufigkeit der Hautveränderungen ab dem 16.3.1988 das Präparat Dapson, beginnend mit einer Dosis von 50 mg. Bis zur Entlassung am 21.3.1988 wurde die Dosis auf 100 mg gesteigert; die Therapieempfehlung der Dermatologen an den Hausarzt lautete: „Weiterbehandlung mit DADPS, regelmäßige Kontrolle des Blutbildes und der Laborwerte”. Am 6.4.1988 wurde der Erblasser als Notfall in die Medizinische Klinik – Abteilung für Hämatologie, Onkologie und klinische Immunologie – der Beklagten eingewiesen; die dortige Untersuchung ergab deutliche Anämiezeichen; der Hb-Wert war nach den Laborergebnissen auf 8,0 g/dl gesunken; eine Knochenmarkbiopsie zeigte den Befund einer refraktären Anämie. Dem Erblasser wurden zwei Erythrozytenkonzentrate transfundiert; danach wurde er am 13.4.1988 in die ambulante Behandlung entlassen. In ihrem Bericht vom 22.4.1988 an Dr. B. führten die Ärzte der Medizinischen Klinik der Beklagten aus, aufgrund der durchgeführten Untersuchungen müsse davon ausgegangen werden, dass bei dem Patienten ein myelodysplastisches Syndrom, im Sinne einer refraktären Anämie jedoch ohne Vermehrung von Blasten oder Ringsideroblasten vorhanden sei. Da der Patient wegen der leukoklastischen Vaskulitis das Medikament Dapson eingenommen habe, könne nicht sicher entschieden werden, ob die Anämie durch dieses Medikament induziert sei. Es werde deswegen empfohlen, diese Medikation zunächst vollständig zu meiden, die Blutwerte regelmäßig zu kontrollieren und in etwa sechs Monaten eine Kontrollpunktion des Knochenmarks durchzuführen. In der Zeit vom 30.5. bis zum 4.7.1988 wurde der Erblasser wegen einer Lungenarterienembolie stationär behandelt. Im Abschlussbericht der Klinik an den Hausarzt des Patienten heißt es am Ende: „Eine diskrete hyperchrome, makrozytäre Anämie steht nach dem Befund der Knochenmarkszytologie vom 11.4.1988 bei normalem Folsäure-, B 12-Spiegel am ehesten im Zusammenhang mit einer Dapsonexposition. Diesbezüglich wird eine weitere Betreuung sowie Kontrollpunktion in unserer Hämatologischen-Ambulanz erfolgen”. Am 15.5.1992 wurde der Erblasser wegen „rezidivierender Fieberschübe bei bekannter Anämie” in der Hautklinik der Beklagten aufgenommen; die Laboruntersuchung ergab einen Hb-Wert von 8,2 g/dl. Der Patient wurde in die Medizinische Klinik verlegt und dort bis zum 30.6.1992 weiterbehandelt. Am 17.8.1994 verstarb er.

Die Kläger machen Ersatzansprüche geltend. Sie haben behauptet, die Medikation mit Dapson sei nicht indiziert gewesen und habe nicht dem im Jahre 1988 herrschenden medizinischen Standard entsprochen; das Präparat sei zur Behandlung der leukozytoklastischen Vaskulitis nicht geeignet. Überdies...

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