Verfahrensgang

LG Düsseldorf

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 24.09.2009; Aktenzeichen 1 BvR 1231/04, 1 BvR 710/05, 1 BvR 1184/08)

BGH (Urteil vom 18.10.2007; Aktenzeichen I ZR 102/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.7.2004 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Düsseldorf abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Geltungsbereich des deutschen Rechts ein Jugendschutzsystem für pornografische Internetinhalte i.S.d. §§ 184 StGB, 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JMStV in Verkehr zu bringen, anzubieten, zugänglich zu machen, zu bewerben sowie insb. ggü. denjenigen Kunden, die bisher Zugang zu pornografischen Inhalten über das Jugendschutzsystem der Beklagten - sog. Bestandskunden - erlangen, zu betreiben und/oder zu betreuen, das nutzerseitig auf der Eingabe der Personalausweisnummer oder Reisepassnummer - auch in Kombination mit der Durchführung einer Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Postleitzahl - sowie der hierauf beruhenden Verifikation des Alters basiert, ohne dass dabei eine persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers, etwa im Rahmen des Post-Ident-Verfahrens, bei seiner Registrierung erfolgt.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu ¼ und hat die Beklagte zu ¾ zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 250.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien sind jeweils Anbieter von sog. Altersverifikationssystemen (AVS), welche sie u.a. Betreibern von Internetseiten anbieten, die im Internet pornografische Abbildungen mit der Altersfreigabe "FSK 18" vertreiben. Das von der Beklagten angebotene Altersverifikationssystem "ueber18.de" schränkt den Zugang zu Internetseiten in der Weise ein, dass vor der Zugangsgewährung eine Personalausweis- oder Reisepassnummer angegeben werden muss. In der "Version 1" ist zusätzlich zu der Angabe der Ausweisnummer die Angabe der Postleitzahl des Ausstellungsortes erforderlich. In der "Version 2" ist des Weiteren die Angabe eines Namens, einer Adresse und die Angabe einer Kreditkartennummer oder einer Bankverbindung zum Zwecke der Überweisung eines Betrags von 4,95 EUR erforderlich. Nach dem Vorbringen der Klägerin existiert darüber hinaus eine "Version 0" des Altersverifikationssystems, die ausschließlich die Eingabe einer Personalausweis- oder Reisepassnummer erfordert.

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Beklagte gegen § 4 Abs. 2 S. 2 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) und gegen § 184c StGB n.F. (§ 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.) verstoße, wenn sie ihr Altersverifikationssystem Anbietern von Internetseiten mit pornografischen Darstellungen zur Verfügung stelle. Da - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - bei der Abfrage der Ausweisnummern nicht kontrolliert wird, ob diese tatsächlich an Erwachsene vergeben sind, sondern lediglich ob diese in ihrer Zusammensetzung bestimmten Vorgaben entsprechen, die bei der Vergabe von Personalausweisnummern an Erwachsene stets eingehalten werden, könne sich jeder Jugendliche z.B. über im Internet frei zugängliche sog. "Personalausweisnummer-Generatoren" eine Ausweisnummer verschaffen, welche den formalen Kriterien entspreche und daher von dem AVS der Beklagten als gültig angesehen werde. Überdies könnten sich Jugendliche in ihrem sozialen Umfeld Ausweise Erwachsener ausleihen und die entsprechenden Daten übertragen. Der in der "Version 2" für den Zugang erforderliche Zahlungsvorgang des Kunden biete ebenfalls keinen hinreichenden Schutz, weil Minderjährige durchaus Zugang zu eigenen oder fremden Kreditkarten hätten oder über ein eigenes Girokonto verfügten. Werde das AVS der Beklagten auf Internetseiten mit pornografischem Inhalt eingesetzt, werde daher nicht i.S.d. § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV "sichergestellt", dass diese nur Erwachsenen zugänglich gemacht würden. Dass die Beklagte nicht selbst Anbieterin pornografischer Telemedien und damit nicht unmittelbare Normadressatin des § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV sei, ändere nichts an ihrer Verantwortlichkeit für das Zugänglichmachen von Internetseiten pornografischen Inhalts, auf denen ihr AVS eingesetzt werde. Denn sie ermögliche den Anbietern dieser Seiten die Verbreitung ohne ausreichenden Minderjährigenschutz, indem sie ihnen ihr AVS zur Verfügung stelle. Sie sei daher "geradezu die Zentralgestalt der Zugangsgewährung" zu pornografischen Inhalten ohne hinreichenden Minderjährigenschutz. Da die Beklagte - unstreitig - auf ihrer Homepage "ueber18.de" einen Katalog mit Anbietern, die ihr AVS einsetzten, zur Verfügung stelle, werde die Wahrscheinlichkeit des Zugangs minderjähriger Nutzer durch Bündelung der Angebote sogar erheblich erhöht.

Die Beklagte hat ge...

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