Leitsatz (amtlich)

›1. Ist eine tiefe Wundinfektion mit Gelenkbeteiligung nach chirurgischer Versorgung einer Sprunggelenkverletzung nicht auszuschließen, können der Verzicht auf eine frühzeitige Wundrevision und die Unterlassung gebotener Laboruntersuchungen Beweiserleichterungen zugunsten des klagenden Patienten für den Kausalitätsnachweis rechtfertigen, und zwar auch dann, wenn eine Antibiotikatherapie betrieben worden ist und eine Lokalbehandlung der Operationswunde stattgefunden hat.‹

2. DM 30000,-- Schmerzensgeld sowie Feststellung des Ersatzes künftigen materiellen und immateriellen Schadens für 16 Jahre alte Schülerin aus Arzthaftung (Chirurgie). Im Rahmen einer chirurgischen Versorgung einer Sprunggelenksverletzung wurde postoperativ trotz entsprechender Verdachtsmomente (Fieber) keine den Verdacht auf eine tiefe Wundinfektion klärende diagnostischen Schritten vorgenommen. Tiefe Wundinfektion mit Gelenkbeteiligung. Grober Behandlungsfehler mit Beweislastumkehr.

3. Unter Einschluß der Ursprungsverletzung 3maliger stationärer Aufenthalt von insgesamt 93 Tagen (19, 66 und 9 Tage). Mehrfache Operationen mit operativer Versteifung des Sprunggelenkes. Wundheilungsverzögerung dergestalt, daß die Operationswunde sich erst nach 8 Monaten schloß.

4. Es wurde auf eine frühzeitige ausgedehnte chirurgische Revision des Operationsfeldes verzichtet und stattdessen der Diagnose einer oberflächlichen Weichteilinfektion vertraut.

5. Einschränkung in der Sportausübung, Aufgabe des Berufswunsches Tanzlehrerin. Spezieller Schuh mit Abrollsohle und Absatzerhöhung von 1 cm nötig.

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 1 0 41/92 LG)

 

Tatbestand

Die damals 16 Jahre alte Klägerin erlitt am 1. Juni 1989 beim Schulsport eine Verletzung des rechten Sprunggelenks. Nach einer ambulanten Erstversorgung durch den Arzt für Chirurgie Dr. D wurde die Klägerin am 2. Juni 1989 von dem Beklagten zu 1), dem Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des S C -K D, dessen Träger die Zweitbeklagte ist, untersucht. Der Erstbeklagte empfahl eine Operation im Rahmen einer stationären Behandlung. Die Klägerin wurde sodann am 4. Juni 1989 stationär aufgenommen und am 5. Juni 1989 von dem Assistenzarzt Dr. L operiert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Operationsbericht (Bl. 20 GA) Bezug genommen. Die weitere Behandlung lag in der Hand des Erstbeklagten. Postoperativ erhielt die Klägerin neben Heparin-Injektionen zur Thromboseprophylaxe u. a. Aniflazym zur Vermeidung von durch das Operationstrauma bedingten reaktiv entzündlichen Prozessen. Am zweiten postoperativen Tag zeigte sich eine Temperaturerhöhung bis 39, 3 Grad, die zur Gabe von 20 Tropfen Novalgin führte. Am nächsten Tag wurden Temperaturen zwischen 39,0 und 40,2 Grad festgestellt. Gleichzeitig trat eine Rötung mit Juckreiz am gesamten Körper auf. Die Klägerin erhielt nunmehr neben 3 x 20 Tropfen Novalgin, 3 x 1 Tablette Fenistil sowie 3 x 1 Kalziumbrause. Die Aniflazym-Medikation wurde abgesetzt. Es wurde eine Antibiotikabehandlung (3 x 40 g Baypen) begonnen. Für den 9. Juni, den vierten postoperativen Tag, ist in der Fieberkurve vermerkt, daß die Allergie rückläufig gewesen sei. Das Baypen wurde abgesetzt. Statt dessen erhielt die Klägerin am 10. Juni 1989 3 x 1 Ampulle Certomycin. Im Entlassungbericht vom 22. Juni 1989 heißt es, die Operationswunde, die bis jetzt völlig reizlos gewesen sei, habe nun eine Hautnekrose ausgebildet. Außerdem hätten sich Spannungsblasen gezeigt. Ein hautärztliches Konsil vom 12. Juni habe keine neuen Erkenntnisse gebracht. An diesem Tag erfolgte eine lokale Behandlung mit Betasalbe. Am 15. Juni wurden die Fäden gezogen und ein Wundabstrich genommen, der am 19. Juni zum Nachweis des Keims Staphylokokkus aureus führte. Die Antibiotika-Therapie wurde am zwölften postoperativen Tag abgesetzt. Seit dem elften postoperativen Tag wurde die Operationswunde regelmäßig gespült und mit Fibrolan-Salbe behandelt.

Am 23. Juni 1989 wurde die Klägerin in der Ambulanz der B U D B vorgestellt. Es wurde eine Übernahme zur stationären Behandlung für den 26. Juni 1989 vereinbart. Am 28. Juni 1989 folgte in der U D -B eine Operation, bei der ein Wunddebridement, eine Nekrosenabtragung, eine Entfernung der Zuggurtung vom rechten Außenknöchel und eine ausgiebige Gelenktoilette vorgenommen wurden. Zum damaligen Zeitpunkt bestand eine Eiterung im Sinne eines Gelenkempyems, die am 7. Juli 1989 zu einer Arthrodese des rechten oberen Sprunggelenks führte. Am 15. August 1989 wurden die zur Fixierung des Gelenks eingebrachten Kirschnerdrähte wieder entfernt. Am 1. September 1989 wurde die Klägerin aus der stationären Behandlung in der U D -B entlassen. Es schloß sich eine weitere stationäre Behandlung in der Zeit vom 10. bis zum 18. Oktober 1989 sowie eine längere ambulante Behandlung an. Die Hautwunde am rechten Bein schloß sich erst im Februar 1990.

Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Schadensersatzansprüche geltend mit der Begründung, die Behandlung im St. Cornelius-Krankenhaus s...

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