Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht jedes falsche Gutachten ist ein Falscheid

 

Leitsatz (amtlich)

Der Sachverständiger beschwört im Zivilprozess durch die Bezugnahme auf seinen allgemein geleisteten Eid gem. § 410 ZPO, das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Damit beschwört er, dass er die von ihm vorgetragene Ansicht habe. Beschwört er eine wider seine Überzeugung gehende Ansicht, so verletzt er seinen Eid, auch wenn die Ansicht in Wahrheit richtig ist. Umgekehrt gilt, dass der Sachverständige grundsätzlich seinen Eid nicht verletzt, wenn er seine Überzeugung beschwört, auch wenn diese Überzeugung in Wahrheit falsch ist.

Subjektiv ist fahrlässiges Handeln erforderlich. Beim Sachverständigen-Eid ist fahrlässige Begehung selten, weil der Sachverständige meist nur seine subjektive Überzeugung wiedergibt; er kann allerdings fahrlässig nicht sein ganzes Wissen kundtun oder die zur Vorbereitung des Gutachtens erforschten Tatsachen falsch wiedergeben. Die Fahrlässigkeit kann auch in der mangelhaften Vorbereitung liegen.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; StGB §§ 154, 155 Nr. 2, § 163

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 18.06.2005; Aktenzeichen 10 O 439/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18.6.2005 verkündete Grundurteil der 10. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Duisburg geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Des Tatbestandes bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Das Berufungsverfahren richtet sich nach den vom 1.1.2002 an geltenden Vorschriften der ZPO, weil die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist, nach dem 31.12.2001 geschlossen worden ist, § 26 Nr. 5 EGZPO.

Danach kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO beruht oder dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO.

Die materiell-rechtlichen Rechtsbeziehungen der Parteien richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, Art. 229 § 5 EGBGB.

Danach kommt ein Schadenersatzanspruch des Klägers nicht in Betracht.

Die Haftung des Beklagten als gerichtlich bestelltem Sachverständigen richtet sich nicht nach § 839a BGB, der erst seit dem 1.8.2002 in Kraft ist. Sie kann sich nur ergeben aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 163, 155 Nr. 2, 154 StGB. Das setzt voraus, dass der Beklagte einen fahrlässigen Falscheid geleistet hat (OLG Düsseldorf v. 6.8.1986 - 4 U 41/86, NJW 1986, 2891; OLG Rostock v. 20.4.2000 - 1 U 175/98, OLGReport Rostock 2001, 194; OLG Hamburg v. 6.9.2000 - 14 W 34/00, OLGReport Hamburg 2001, 57; BGHZ 62, 54).

Davon kann man nicht ausgehen.

Das LG hat angenommen, die Haftungsvoraussetzungen seien erfüllt, weil der Beklagte fahrlässig ein falsches Gutachten erstattet habe. Das entspricht den Ausführungen der Beschwerdeentscheidung des 22. Zivilsenates des OLG Düsseldorf vom 19.3.2002 (S. 5, GA 45), wonach eine Haftung des Beklagten in Betracht komme, wenn sein Gutachten unrichtig sei.

Ein fahrlässiger Falscheid liegt nicht schon dann vor, wenn das Gutachten falsch ist (OLG Hamburg v. 6.9.2000 - 14 W 34/00, OLGReport Hamburg 2001, 57, nicht jedes schlechte Gutachten ist eine Falschaussage).

Objektiv ist der Tatbestand der §§ 163, 155 Nr. 2, 154 StGB verwirklicht, wenn der Sachverständige falsch geschworen hat. Der Beklagte hat - als Sachverständiger im Zivilprozess - durch die Bezugnahme auf seinen allgemein geleisteten Eid gem. § 410 ZPO geschworen, das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Damit beschwört er, dass er die von ihm vorgetragene Ansicht habe. Beschwört er eine wider seine Überzeugung gehende Ansicht, so verletzt er seinen Eid, auch wenn die Ansicht in Wahrheit richtig ist (Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 154, 16, m.w.N.). Umgekehrt gilt, dass der Sachverständige grundsätzlich seinen Eid nicht verletzt, wenn er seine Überzeugung beschwört, auch wenn diese Überzeugung in Wahrheit falsch ist.

Subjektiv ist fahrlässiges Handeln erforderlich. Beim Sachverständigen-Eid ist fahrlässige Begehung selten, weil der Sachverständige meist nur seine subjektive Überzeugung wiedergibt; er kann allerdings fahrlässig nicht sein ganzes Wissen kundtun oder die zur Vorbereitung des Gutachtens erforschten Tatsachen falsch wiedergeben (Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 163, 6, m.N.). Die Fahrlässigkeit kann auch in der mangelhaften Vorbereitung liegen.

Hier fehlt es schon an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes, jedenfalls aber an fahrlässigem Handeln des Beklagten.

Der Beklagte hat im Vorprozess auf die Beweisfrage, ob dem Fahrzeug wegen anderer Mängel, insb. wegen der Beschädigung des Querträgers die Plakette zu versagen gewesen wäre, in se...

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