Leitsatz (amtlich)

1. Der Rechtsanwalt genügt vor Erhebung einer Klage auf Ausgleich ehebedingter Zuwendungen bei Gütertrennung seiner Beratungspflicht nicht, wenn er den Mandanten nicht deutlich auf eine im Rechtsstreit drohende Niederlage hinweist, sondern es nur bei allgemeinen Risikohinweisen belässt.

2. Im Falle unvollständiger Beratung gereicht es dem Mandanten nicht zum Mitverschulden, wenn er gegen den Rat des Rechtsanwalts einen vorteilhaften Prozessvergleich nicht abschließt.

3. Hat der Mandant nach Kündigung des Mandats und Prüfung der Beratungstätigkeit die Honorarforderung des Rechtsanwalts teilweise anerkannt, so kann er diesen Betrag als Schaden nicht mehr geltend machen.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 06.01.2003; Aktenzeichen 9 O 170/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung seines weiter gehenden Rechtsmittels das am 6.1.2003 verkündete Endurteil der 9. Zivilkammer des LG Düsseldorf – Einzelrichter – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Das am 3.9.2001 verkündete Vorbehaltsurteil der 9. Zivilkammer des LG Düsseldorf – Einzelrichter – wird für vorbehaltlos erklärt, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 899,39 Euro (1.759,06 DM) nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 7.3.2001 zu zahlen. Im Übrigen wird das genannte Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Kläger zu 90 %, dem Beklagten zu 10 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Der klagende Rechtsanwalt hat den Beklagten im ersten Rechtszug auf der Grundlage eines mit „Abstraktes Schuldanerkenntnis” überschriebenen Dokuments im Urkundsprozess auf Honorar (18.882,22 DM nebst Zinsen) für verschiedene gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeiten in Anspruch genommen, die er im Auftrag des Beklagten im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung von dessen Ehefrau (nachfolgend Ehefrau genannt) entwickelt hat. Das LG hat durch Vorbehaltsurteil vom 3.9.2001 antragsgemäß zugunsten des Klägers entschieden. Im Nachverfahren hat der Beklagte beantragt, das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Er hat u.a. geltend gemacht: Durch falsche Beratung des Klägers in dem gegen die Ehefrau gerichteten und erfolglos gebliebenen Verfahren (9 O 233/99 LG Düsseldorf) auf Rückzahlung von Investitionen in deren Haus bei Gütertrennung nach gescheiterter Ehe (nachfolgend Ausgleichsanspruch genannt) sei ihm ein Schaden entstanden, der den Honoraranspruch übersteige. Mit dem behaupteten Gegenanspruch hat der Beklagte die Aufrechnung erklärt. Das LG hat zugunsten des Klägers entschieden und das Vorbehaltsurteil aufrecht erhalten. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

B. Das zulässige Rechtsmittel ist überwiegend begründet. Der Kläger hat den Beklagten unrichtig beraten, woraus diesem ein Schaden i.H.v. 17.123,16 DM entstanden ist. Infolge der Aufrechnung mit diesem Schadensersatzanspruch verbleibt nur ein Resthonorar von 1.759,06 DM (899,39 Euro).

I. Der Beurteilung des LG, der Beklagte habe eine Pflichtverletzung des Klägers nicht bewiesen, vermag der Senat nicht zu folgen. Das LG verkennt, dass sich die unrichtige Beratung schon aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergibt.

1. Richtig ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des LG, dass der wegen Prozessverlustes Schadensersatz begehrende Mandant darlegen und notfalls beweisen muss, dass der beauftragte Rechtsanwalt seine vertraglichen Pflichten verletzt hat (BGH MDR 1985, 395; MDR 1987, 666; MDR 1987, 840). Geht wie hier der Vorprozess ohne Beweisaufnahme verloren, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen, muss der Mandant darlegen und notfalls beweisen, dass er nur deshalb das Prozessrisiko eingegangen ist, weil der Rechtsanwalt die Erfolgsaussichten falsch dargestellt hat. Der Rechtsanwalt ist nämlich verpflichtet, den ihm vorgetragenen Sachverhalt darauf zu prüfen, ob er geeignet ist, den begehrten Anspruch zu stützen (BGH v. 18.11.1999 – IX ZR 420/97, MDR 2000, 297). Durch geeignete Befragung des Mandanten muss er rechtlich relevante Sachverhaltslücken aufklären (BGH v. 8.10.1981 – III ZR 190/79, MDR 1982, 386 = NJW 1982, 437; v. 10.2.1994 – IX ZR 109/93, MDR 1994, 837 = NJW 1994, 1472) sowie klären, ob für beweisbedürftige Tatsachen geeignete Beweismittel zur Verfügung stehen (BGH v. 24.3.1988 – IX ZR 114/87, MDR 1988, 770 = WM 1988, 987 [993]). Schließlich muss der Rechtsanwalt prüfen, und den Mandanten darüber aufklären, ob und welche tatsächlichen und rechtlichen Prozessrisiken mit der gerichtlichen Verfolgung des geltend gemachten Anspruchs verbunden sind (vgl. OLG Dresden v. 7.8.2000 – 8 W 2306/99, NJW-RR 2003, 194; NJW 2001, 115; v. 4.6.1996 – IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648; v. 20.1.1994 – IX ZR 46/93, MDR 1994, 516 = NJW 1994, 1211; v. 6.2.1992 – IX ZR 95/91, MDR 1992, 414 = NJW 1992, 1159; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 6. Aufl., Anm. I 122 ff., m.w.N.). Dabei obliegt es dem Rechtsanwalt zwar nich...

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