Leitsatz (amtlich)

Haftet die Schuldnerin für Forderungen der Banken gegen ihr Schwesterunternehmen, deren Fälligstellung unmittelbar zur Insolvenz des Schwesterunternehmens geführt hat, sind diese Forderungen in die Prognose, ob der Schuldnerin die Zahlungsunfähigkeit droht, auch dann einzubeziehen, wenn diese (noch) nicht gegenüber der Schuldnerin gekündigt sind, aber ein Ausfall der Gläubiger überwiegend wahrscheinlich ist und die Schuldnerin weder in der Lage wäre, die Forderungen mit eigenen Mitteln zu erfüllen, noch die sichere Erwartung haben darf, dass Umschuldungsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen und danach sämtliche fälligen Zahlungspflichten erfüllt werden können.

Enthält ein als "Mietkaufvertrag" bezeichneter Vertrag keine Kaufoption, sondern soll das Eigentum nach Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag automatisch auf den Erwerber übergehen, scheidet ein bargeschäftsähnlicher Leistungsaustausch aus, weil die Gebrauchsüberlassung während der Vertragslaufzeit keine gleichwertige Gegenleistung für die Zahlung der Mietkaufrate darstellt. Auf diesen Vertrag findet Mietrecht keine Anwendung, es liegt vielmehr ein reiner Verkauf unter Eigentumsvorbehalt vor, auf den allein Kaufrecht Anwendung findet (atypischer Mietkaufvertrag).

Für das Eingreifen des Sanierungsprivilegs im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO genügt der Umstand nicht, dass die Gläubiger mit der Erstellung des Sanierungsgutachtens einverstanden sind. Eine bloße Hoffnung auf eine Sanierung räumt den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht aus.

Die Kenntnis des Sanierungsbedarfs eines Unternehmens hat in aller Regel auch die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit zur Folge.

 

Normenkette

InsO §§ 18, 133 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 2 O 210/17)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 05.10.2018 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal (2 O 210/17) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger fordert als Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 13.06.2013 hin am 03.09.2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der WK GmbH (Schuldnerin) die Rückzahlung von insgesamt 56.087,84 EUR, die die Beklagte.im Zeitraum vom 01.03.2013 bis 03.06.2013 aufgrund von Lastschriftermächtigungen vom Konto der Schuldnerin eingezogen hat. Es handelt sich dabei um die monatlichen Mietkaufraten i.H.v 8.952,12 EUR bzw. 5.069,84 EUR aus zwei Mietkaufverträgen vom 16.12.2010 und 23.02.2011 über Turmdrehkrane (Anl. K 6, K 9), die die Beklagte von der Schwestergesellschaft der Schuldnerin, der WT GmbH (WT), gekauft hat. Die Verträge hatten eine Laufzeit von jeweils 72 Monaten, wobei die letzte Rate in Höhe von rund 10 % des Nettokaufpreises zu zahlen war. Die den Verträgen zugrunde liegenden Mietkaufbedingungen der Beklagten sahen vor, dass das Eigentum an den Mietkaufobjekten nach Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen der Schuldnerin aus dem jeweiligen Vertrag ohne weitere Zahlung auf diese übergehen sollte.

Am 05.02.2013 fand bei der Schuldnerin ein Finanzierungsgespräch mit Banken statt, an dem auch drei Mitarbeiter der Beklagten teilgenommen haben (Anl. K 59). Gegenstand der Besprechung war eine Power-Point-Präsentation (Anl. K 58), in der die Teilnehmer u.a. über seit dem Jahr 2010 bestehende Finanzierungsprobleme der W.-Gruppe unterrichtet wurden, die letztlich dazu geführt hatten, dass die WT am 25.01.2013 Insolvenzantrag stellen musste. Es wurden verschiedene Szenarien, u.a. ein Insolvenzantrag nur für die WT bei Fortführung der übrigen Gesellschaften (Fortführungsszenario) sowie als Auffanglösung eine Insolvenzantragstellung für sämtliche Gesellschaften der W.-Gruppe mit Erstellung eines Insolvenzplans für das Vermiet- und Servicegeschäft und Fortführung dieses Geschäftszweigs nach Verfahrensaufhebung dargestellt. Für das Fortführungsszenario ohne weitere Insolvenzen wurde eine Planrechnung vorgestellt, die u.a. eine "deutliche Anpassung bei den Leasingaufwendungen" der Schuldnerin sowie eine Planung der in den Jahren 2013 und 2014 auslaufenden Mietkauffinanzierungen für Standardkrane, die eine Schlussrate enthalten, mit einer Restlaufzeit zwischen 60 und 72 Monaten - beginnend ab März 2013 - vorsah (Anl. K 58, Folien 45, 47). Diese Annahme lag auch der Liquiditätsplanung des Konzerns für die Jahre 2013 bis 2015 zugrunde (Folien 48, 49, 58 [Anlage 2]). Die W.-Gruppe beauftragte im Einvernehmen mit den beteiligten Gläubigern den Wirtschaftsprüfer Prof. Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Prüfung der Sanierungsmöglichkeiten. Im Anschluss an die Besprechung übersandte die Schuldner...

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