Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Zustellung einer Klage in die Niederlande durch die Post nach Art. 14 EuZVO sind hinsichtlich der Sprachregelung die von den Niederlanden bestimmten näheren Voraussetzungen zu beachten.

2. Die Annahme des verfahrenseinleitenden Schriftstücks kann - auch nachträglich - verweigert werden, wenn der Empfänger die Sprache des Übermittlungsstaates nicht versteht und eine Übersetzung nicht beigefügt ist.

3. Zur Beurteilung der Frage, ob der Empfänger die Sprache des Übermittlungsstaates versteht.

4. Zu den Folgen einer unterbliebenen Belehrung über das Recht zur Annahmeverweigerung.

 

Verfahrensgang

AG Emmerich (Urteil vom 02.12.2004; Aktenzeichen 5 F 178/04)

 

Tenor

Das Teilversäumnis- und Schlussurteil des AG - FamG - Emmerich am Rhein vom 2.12.2004 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Die Anschlussberufung des Beklagten wird als unzulässig verworfen.

Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht mit ihrer im August 2004 beim AG eingereichten Klage Unterhalt des nicht verheirateten Elternteils nach § 1615l BGB geltend. Die Parteien sind die Eltern der am 5.1.2003 geborenen Tochter Alysha, die den Nachnamen des Beklagten trägt. Der Beklagte ist Niederländer und in den Niederlanden wohnhaft.

Die Richterin des AG hat nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin die Zustellung der Klage gegen Einschreiben mit Rückschein veranlasst. Gegenstand der Zustellung waren - wie aus den auf dem Rückschein (Bl. 35 GA) aufgebrachten Vermerken zu ersehen ist - die Ladung zum Termin, eine beglaubigte Ausfertigung der richterlichen Verfügung mit Festsetzung der Klageerwiderungsfrist, der Prozesskostenhilfebeschluss sowie eine beglaubigte Abschrift der Klageschrift nebst Anlagen.

Im vom AG anberaumten Verhandlungstermin ist der Beklagte nicht erschienen. Das AG hat den Beklagten im angefochtenen Teilversäumnis- und Schlussurteil zu monatlichem Unterhalt von 405 EUR von August 2004 bis 31.1.2006 nebst Zinsen verurteilt und die Klage für die Zeit ab Februar 2006 abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die monatlichen Unterhalt von 405 EUR weiterhin auch über Januar 2006 (Ablauf der Dreijahresfrist nach § 1615l BGB) hinaus nebst Zinsen geltend macht.

Für den Beklagten haben sich erstmals in der Berufungsinstanz Rechtsanwälte bestellt. Er macht geltend, die Klage sei ihm nicht entsprechend der Europäischen Zustellungs-VO zugestellt worden. Er sei der deutschen Sprache unkundig und hätte daher nicht die Möglichkeit gehabt, vom Inhalt der Klage im ausreichenden Umfang Kenntnis zu nehmen. Die deutschen Gerichte seien international nicht zuständig.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hat Anschlussberufung eingelegt, mit der er beantragt, die Klage abzuweisen. Er beantragt schließlich, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen. Sie bestreitet, dass der Beklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei.

II. Das Urteil des AG ist, soweit durch streitiges Endurteil entschieden worden ist, auf Antrag des Beklagten gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels aufzuheben. Der Rechtsstreit ist insoweit an das AG zurückzuverweisen, zumal eine eigene Sachentscheidung des Senats nicht tunlich ist. Die gegen den weiteren Teil des Urteils (Versäumnisurteil) eingelegte Anschlussberufung ist als unzulässig zu verwerfen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist schließlich - wie im Senatstermin erörtert - aufgrund Art. 5 Nr. 2 EuGVVO gegeben.

1. Die gegen den als Versäumnisurteil erlassenen Teil im Senatstermin vom 24.6.2005 eingelegte Anschlussberufung ist nach § 514 ZPO unzulässig, weil insoweit nur der Einspruch statthaft ist. Bei einer - wie hier - gemischten Entscheidung ist die Anfechtbarkeit für jeden Teil gesondert zu bestimmen (BGH v. 25.6.1986 - IVb ZB 83/85, MDR 1987, 39 = NJW-RR 1986, 1326; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 514 Rz. 4). Ob gegen den als Versäumnisurteil erlassenen Teil des Urteils noch ein Einspruch zulässig ist, ist hier nicht zu entscheiden.

2. Das Urteil des AG leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, denn die vom AG durchgeführte Zustellung der Klageschrift entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Auslandszustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Die Zustellung von Deutschland in die Niederlande unterliegt der Europäischen Zustellungs-VO (EuZVO) Nr. 1348/2000 vom 29.5.2000, die in den Mitgliedstaaten der EG mit Ausnahme Dänemarks am 31.5.2001 in Kraft getreten ist (Art. 25 EuZVO). Einzelne von der EuZVO zugelassene modifizierende Regeln sind in §§ 183, 1067 ff. ZPO enthalten.

a) Von den in Betracht kommenden Zustellungsarten, vor allem die in der EuZVO ausführl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge