Leitsatz (amtlich)

1. Miet- und Pachtverträge unterscheiden sich im Wesentlichen durch die über die bloße entgeltliche Überlassung hinaus vereinbarte Fruchtziehung.

2. Sind für den "Betrieb eines Altenwohn- und Pflegeheims" 160 Heimplätze vereinbart, so begründet das Verbot von 22 Heimplätzen durch die Heimaufsicht einen erheblichen Mangel des Mietobjekts.

3. Der Pächter kennt einen Mangel bei Vertragsschluss oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht, wenn er nicht nur vom äußeren Erscheinungsbild der Pachtsache weiß, sondern auch die konkreten Auswirkungen des Mangels auf die Gebrauchstauglichkeit der Pachtsache kennt oder grob fahrlässig nicht kennt.

4. Der formularmäßige Ausschluss der Minderung für verdeckte anfängliche und nachträgliche Mängel benachteiligt jedenfalls den Pächter unangemessen.

 

Normenkette

BGB §§ 581, 535, 536b, 307

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 29.10.2009; Aktenzeichen 7 O 21/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten werden das am 29.10.2009 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Wuppertal teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Das LG, auf dessen im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Tatbestand Bezug genommen wird, hat den beklagten Verein (Altenheimbetreiber) antragsgemäß zur Zahlung von 12.101,82 EUR (zzgl. Zinsen unter Abweisung eines geringfügigen Zinsteils) verurteilt. Es handelt sich dabei um den im Monat November 2008 geminderten Teil (ca. 14 %) des für die Gebrauchsüberlassung vereinbarten monatlichen Entgelts (ohne Betriebskosten). Das LG hat die vom Beklagten zur Begründung der Minderung geltend gemachten Mängel des Altenheims teils aus rechtlichen, teils aus tatsächlichen Gründen verworfen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit welcher er sein Ziel vollständiger Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Die Klägerin will die Berufung zurückgewiesen haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Das für den Monat November 2008 vereinbarte Entgelt für die Gebrauchsüberlassung des Altenheims ist kraft Gesetzes, nämlich fehlerbedingt um (mindestens) den Teil gemindert, um den der Beklagte den hier umstrittenen Vergütungsanteil für den entsprechenden Monat einbehalten hat. Das angefochtene Urteil ist daher antragsgemäß abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Im Einzelnen gilt das Folgende:

1. Bei dem hier umstrittenen Restentgelt (allein) für den Monat November 2008 handelt es sich entgegen der Bezeichnung im Vertrag und der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Qualifizierung nicht um Miete (§ 535 Abs. 1 BGB), sondern um Pacht (§ 581 Abs. 1 BGB). Dementsprechend haben die Parteien - wiederum entgegen der vertraglichen Bezeichnung - auch keinen Miet-, sondern einen Pachtvertrag abgeschlossen und sie sind - ebenfalls abweichend von der Diktion des Vertrags - nicht als Vermieterin/Mieterin, sondern als Verpächterin/Pächterin zu qualifizieren.

a) Die Abgrenzung von Miete zur Pacht richtet sich nach dem tatsächlichen Inhalt des streitigen Rechtsverhältnisses und nicht nach seiner (in der Rechtspraxis vielfach falschen) Bezeichnung durch die Vertragsparteien (vgl. BGH ZMR 1981, 306; MDR 1991, 1063 m.w.N.). Die Miete ist gekennzeichnet durch die bloße entgeltliche Überlassung von Sachen zur Nutzung, die Pacht dadurch, dass darüber hinaus die Fruchtziehung i.S.d. § 100 BGB Vertragsgegenstand ist (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf ZMR 2009, 443 [juris Tz. 12]; MDR 2008, 1029 [juris Tz. 16]).

b) Im Streitfall hat die Klägerin der Beklagten ausweislich § 2 Nr. 3 Pachtvertrag (künftig: PV) nicht nur ein bebautes Grundstück, sondern unter dem historischen Namen "Villa Amalia" ein seit 1835 im Rechtsverkehr eingeführtes, komplett eingerichtetes Haus (mit ausgestatteter Küche und Pflegeabteilung) zur Nutzung als Altenwohn- und Pflegeheim überlassen. Zu den Früchten i.S.d. § 100 BGB gehören gerade auch die spezifischen Gebrauchsvorteile, die mit der Überlassung eines voll eingerichteten und betriebsfertigen Hauses unter seinem eingeführten Namen verbunden sind (Senat, a.a.O.).

2. Im Monat November 2008, um den es hier allein geht, war die Pachtsache mangelhaft, weshalb die Pacht gem. §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes gemindert gewesen ist. Die Klägerin kann deshalb das Restentgelt für den Monat November 2008 i.H.v. 12.101,82 EUR (von insgesamt monatlich geschuldeten 85.684,34 EUR [= 14,12 %]) nicht verlangen, weil es wegen der Mangelhaftigkeit des zum entgeltlichen Gebrauch überlassenen Altenwohn- und Pflegeheims in der von der Beklagten beanspruchten Höhe gemindert ist.

a) Die Prämisse des LG, die im Pachtvertrag unter dem Titel "Mietobjekt, Vertragszwecke" (§ 2 Nr. 1 Abs. 2 PV) verwendeten Formulierungen, "Die Anlage umfasst 160 Plätze und unterliegt auflagenfrei der Heimaufsicht ..." sowie "Sie entspricht der Heimmindestbauverordnung", seien als bloße Objektbeschreibun...

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