Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 40/19)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das am 03.07.2020 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24.07.2020 (Az.: 4c O 25/20) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es in Ziffer I. des Tenors statt "in Verkehr zu bringen oder zu besitzen" heißt "in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen".

II. Die Verfügungsbeklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die weitere Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheit in Höhe von EUR 1.000.000,00 leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte wegen des Angebots und Vertriebs insbesondere des Präparats A (angegriffene Ausführungsform) aus dem Verfügungspatent - dem deutschen Teil des europäischen Patents 3 260 XXA (mit Übersetzung als Anlagen rop 5/5a vorgelegt) - im Wege des einstweiligen Rechtschutzes auf Unterlassung in Anspruch.

Das Landgericht Düsseldorf erließ mit Urteil vom 03.07.2020 die beantragte einstweilige Verfügung. Es hat dabei unter anderem ausgeführt, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents nach den Maßstäben bei Verletzungshandlungen eines Generika-Unternehmens ausreichend gesichert sei.

Unter dem 21.12.2020 erließ die Einspruchsabteilung des EPA im Einspruchsverfahren gegen das Verfügungspatent einen Vorbescheid (mit Übersetzung als Anlagen rop 31/31a vorgelegt), in dem sie die vorläufige Auffassung vertritt, das Verfügungspatent sei rechtsbeständig.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Verfügungsbeklagte insbesondere gegen die Annahme eines gesicherten Rechtsbestands des Verfügungspatents. Dieses könne das angegebene Prioritätsdatum nicht wirksam in Anspruch nehmen, so dass neuheitsschädliche Vorbenutzungen zum Stand der Technik des Verfügungspatents zählten. Aber auch vor dem beanspruchten Prioritätszeitpunkt sei es zu neuheitsschädlichen offenkundigen Vorbenutzungen im Rahmen von klinischen Studien mit dem Präparat C der Verfügungsklägerin gekommen. Schließlich fehle dem Verfügungspatent die Erfindungshöhe. Diesem Vorbringen tritt die Verfügungsklägerin entgegen.

II. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Zutreffend hat das Landgericht die von der Verfügungsklägerin beantragte einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Angebot und Vertrieb insbesondere der angegriffenen Ausführungsform erlassen.

Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsanspruch auf Unterlassung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Zutreffend und von den Parteien nicht angegriffen hat das Landgericht festgestellt, dass die Verfügungsbeklagte durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Verfügungspatents entgegen § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG Gebrauch macht. Außer dem Verfügungsanspruch ist auch ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ausreichend gesichert (hierzu unter 2.). Die Sache ist zudem dringlich (hierzu unter 3.). Der landgerichtliche Urteilsausspruch ist allerdings dahingehend zu korrigieren, dass das Unterlassungsgebot - entsprechend § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG - nicht für den Besitz als solchen gilt, sondern nur "zu den genannten Zwecken" (namentlich: Anbieten oder Inverkehrbringen); stattdessen war die Benutzungsform des Gebrauchens in den Unterlassungstenor aufzunehmen. Die Verfügungsklägerin hatte erstinstanzlich auch beantragt zu entscheiden, wie vom Senat zuerkannt worden ist (§ 308 ZPO). Diesem Antrag hat das Landgericht stattgegeben. Dass gleichwohl "besitzen" statt "gebrauchen" im Tenor des angegriffenen Urteils formuliert ist, beruht auf einem offensichtlichen Schreibversehen des Landgerichts.

1. Das Verfügungspatent trägt den Titel "B" und beansprucht eine pharmazeutische Zusammensetzung.

In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Verfügungspatent, dass kalziumrezeptoraktive Verbindungen wie Cinacalcet-HCl im Stand der Technik als Arzneimittelwirkstoff bekannt sind. Solche kalziumrezeptoraktiven Verbindungen können insbesondere in ihrem nicht-ionisierten Zustand unlöslich oder kaum löslich in Wasser sein. So hat Cinacalcet eine Löslichkeit in Wasser von weniger als 1 μg/ml bei neutralem pH-Wert. Seine Löslichkeit kann sich bis ungefähr 1,6 mg/ml steigern, wenn der pH-Wert von ungefähr 3 bis ungefähr 5 reicht, und die Löslichkeit von Cinacalcet sinkt auf ungefähr 0,1 mg/ml, wenn der pH-Wert bei 1 liegt (Abs. [0002]).

Das Verfügungspatent bemerkt hierzu, dass eine - wie geschildert - begrenzte Löslichkeit die Anzahl der pharmazeutischen Formulierungen (z.B. Tablette, Kapsel, Pulver) und der Zufuhroptionen, die für die kalziumrezeptoraktiven Verbindungen verfügbar sind, reduzieren kann. Eine begrenzte Wasserlöslichkeit kann weiterhin zu einer niedrigen Bioverfügbarkeit der arzneilichen Verbindungen im ...

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