Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 56/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung wird das am 15.01.2021 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Az. 4c O 56/20) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt eine pharmazeutische Zusammensetzung, umfassend

a) von 5 % bis 40 % nach Gewicht an Cinacalcet-HCl

b) einen pharmazeutisch akzeptablen Arzneistoffträger, umfassend mikrokristalline Cellulose und Stärke in einem Gewichtsverhältnis im Bereich von 1:1 - 1:15;

wobei mindestens eine Dosierungseinheit der pharmazeutischen Zusammensetzung ein Auflösungsprofil in 0,05 N HCl aufweist, gemessen gemäß einem Auflösungstest, der in einer USP 2-Vorrichtung bei einer Temperatur von 37°C ± 0,5°C und bei einer Rotationsgeschwindigkeit von 75 U/min durchgeführt wird, die von 50 % bis 125 % einer Zielmenge des Cinacalcets umfasst, die nicht später als etwa 30 Minuten nach Beginn des Tests aus der Zusammensetzung freigesetzt wird, nämlich

Cinacalcet-ratiopharm 30 mg Filmtabletten (Zulassungs-/Reg. Nr. (AMG76): 92879.00.00; EU-Verfahren: DE/H/42022/001/DC),

Cinacalcet ratiopharm 60 mg Filmtabletten (Zulassungs-/Reg. Nr. (AMG76): 92880.00.00; EU-Verfahren: DE/H/4202/002/DC),

Cinacalcet ratiopharm 90 mg Filmtabletten (Zulassungs-/Reg. Nr. (AMG76): 92881.00.00; EU-Verfahren: DE/H/4202/003/DC),

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

2. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, jeweils zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, angedroht.

II. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

III. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheit in Höhe von EUR 1.000.000,00 leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin geht aus dem Verfügungspatent - dem deutschen Teil des EP 3 260 XXA - im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform - einem Generikum - durch die Verfügungsbeklagte vor. Gegen die Erteilung des Verfügungspatents sind mehrere Einsprüche eingelegt worden. Mit Entscheidung vom 07.07.2021 - also zeitlich zwischen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und dem hierin festgesetzten Verkündungstermin - wurde das Verfügungspatent von der Einspruchsabteilung im Umfang des geltend gemachten Anspruchs 1 wie erteilt aufrechterhalten.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 15.01.2021 zurückgewiesen und dies damit begründet, dass die Verfügungsklägerin bei der Durchsetzung des Verfügungspatents und insbesondere bei der Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform zu zögerlich vorgegangen sei, so dass mangels Dringlichkeit kein Verfügungsgrund bestehe.

Dies greift die Verfügungsklägerin mit der Berufung an. Die Verfügungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil und ist ferner der Auffassung, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht ausreichend gesichert sei. Sollte die Einspruchsabteilung das Verfügungspatent aufrechterhalten, könne dies nur auf evident falschen Erwägungen beruhen.

II. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat zu Unrecht den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung verweigert, ein Verfügungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, da die Sache nicht dringlich sei. Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen zum Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung vor.

Die Verfügungsklägerin hat aus dem Verfügungspatent (vorgelegt mit Übersetzung in Anlage rop 1/1a) einen Verfügungsanspruch auf Unterlassung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Die Verfügungsbeklagte macht durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Verfügungspatents entgegen § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG Gebrauch, was die Verfügungsbeklagte nicht in Abrede stellt.

Außer dem Verfügungsanspruch ist auch ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ausreichend gesichert (hierzu unter 2.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Sache zudem dringlich (hierzu unter 3.).

1. Das Verfügungspatent trägt den Titel "Schnellauflösungsformulierung enthaltend Cinacalcet HCl" und beansprucht eine pharmazeutische Zusammensetzung.

In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Verfügungspatent, dass kalziumrezeptoraktive Verbindungen wie Cinacalcet-HCl im Stand der Technik als Arzneimittelwirkstoff bekannt sind. Solche kalziumrezeptoraktiven Verbindungen können insbesonde...

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