Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Juli 2019 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - 15 O 436/16 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22. August 2019 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Der Klageantrag zu Ziff. 1 ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren, über den mit dem Klageantrag zu Ziff. 1 geltend gemachten Mindestschaden hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin bis einschließlich 31. Dezember 2016 infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Köln zu den Aktenzeichen 84 O 90/13, 84 O 220/13, 84 O 256/13, 84 O 208/14 und 81 O 82/15 entstanden ist und noch entstehen wird.

3. Im Übrigen wird die Klage betreffend den Klageantrag zu Ziff. 2 abgewiesen.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist eine niederländische Versandhandelsapotheke, die rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente (sog. RX-Medikamente) im Wege des Versandhandels an Endkunden nach Deutschland liefert.

Die Beklagte ist die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Z.

Die Klägerin warb seit dem Jahr 2012 mit verschiedenen Rabattaktionen, bei denen Kunden bei dem Bezug von rezeptpflichtigen Arzneimitteln ein Vorteil in Form eines Barrabatts, eines Gutscheins zur Verrechnung beim Kauf eines anderen Medikaments, eines Hotelgutscheins oder einer Jahresmitgliedschaft beim X. versprochen wurde. Die Beklagte sah und sieht diese Werbemaßnahmen als Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel an und erwirkte deshalb in den Jahren 2012 bis 2015 zahlreiche einstweilige Unterlassungsverfügungen gegen die Klägerin. Zu einigen der Verfügungsverfahren führte die Beklagte auch die entsprechenden Hauptsacheverfahren, die heute jedenfalls zum Teil rechtskräftig abgeschlossen sind. Im Rahmen der Vollziehung einiger der einstweiligen Verfügungen wurden zudem auf Antrag der Beklagten hohe Ordnungsgelder gegen die Klägerin verhängt.

In dem vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin - nach Klageerhöhungen in der ersten Instanz und im Berufungsverfahren - Schadensersatz in Höhe eines Mindestschadens auf der Grundlage des § 945 ZPO sowie - gestützt auf § 945 ZPO und § 823 Abs. 1 BGB - die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch den weiteren, über den Mindestschaden hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin infolge der Vollziehung der streitgegenständlichen einstweiligen Verfügungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Klägerin ist der Auffassung, die einstweiligen Verfügungen seien von Anfang an ungerechtfertigt gewesen, weil der EuGH mit Urteil vom 19. Oktober 2016 (Rs. C-148/15) mit ex-tunc-Wirkung entschieden habe, dass § 78 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz, nachfolgend "AMG") a.F., der eine Bindung von EU-Versandapotheken an das deutsche Arzneimittelpreisrecht vorsehe, gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, nachfolgend "AEUV") verstoße und dieser Verstoß nicht mit dem Gesundheitsschutz (Art. 36 AEUV) gerechtfertigt werden könne. Die Beklagte habe ihr deshalb gem. § 945 ZPO den infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügungen entstandenen Schaden verschuldensunabhängig zu ersetzen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz für den Zeitraum bis einschließlich 31. Dezember 2015 von mindestens 15.925.987,31 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Oktober 2015 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren, über den mit dem Klageantrag zu 1) bezifferten Mindestschaden hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin bis einschließlich 31. Dezember 2015 infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Köln zu den Az. 84 O 245/12, 84 O 90/13, 84 O 220/13, 84 O 256/13, 84 O 208/14 und 84 O 225/14 sowie aufgrund des Urteils des Landgerichts Köln zum Az. 81 O 112/12 bislang entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sieht bereits das Geschäftsmodell der Klägerin als unzulässig an. Im Übrigen seien die vollzogenen einstweiligen Verfügungen gerechtfertigt gewesen. Schließlich sei der Klägerin gar kein Schaden infolge der Vollziehung entstanden.

Die 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 17. Juli 2019 (Bl. 744 ff. GA), auf das hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei zulässig. Hinsichtlich ihres Feststellungsantrags habe die Klägerin das erforderliche Feststellungsinteresse dargelegt, indem sie schlüssig dargetan habe, da...

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