Leitsatz (amtlich)

Der Kläger kann noch in der Berufungsinstanz von einem Freistellungs- zu einem Feststellungsantrag übergehen, weil es sich dabei um eine bloße Beschränkung des Klageantrags i.S.v. § 264 Nr. 2 ZPO handelt.

Der Rechtsanwalt, der im Insolvenzantragsverfahren einen Schuldner vertritt, muss ihn darüber aufklären, dass der für eine Restschuldbefreiung erforderliche eigene Insolvenzantrag nur bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden kann.

Die Versäumung der vom Insolvenzgericht für einen Eigenantrag gesetzten Frist führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrags. Die in § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO bestimmte Frist gilt nicht für den Eigenantrag des Schuldners, sondern nur für den - nicht mit einem Eigenantrag verbundenen - Antrag auf Restschuldbefreiung.

Der Schuldner kann im Regressprozess nicht auf die Stellung eines neuen Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrags nach Abschluss des laufenden Insolvenzverfahrens verwiesen werden, da ihm das nicht zuzumuten ist. Das gilt umso mehr, wenn er zuvor noch eine dreijährige Wartefrist zurücklegen müsste, weil sein Restschuldbefreiungsantrag im laufenden Insolvenzverfahren verworfen worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 25.03.2011; Aktenzeichen 1 O 255/10)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 25.3.2011 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor zu 1. des landgerichtlichen Urteils folgende Fassung erhält:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der diesem daraus entstanden ist bzw. entsteht, dass es infolge der unterbliebenen rechtzeitigen Stellung eines eigenen Insolvenzantrags mit Restschuldbefreiungsantrag in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers, das vor dem Insolvenzgericht Kleve unter dem Geschäftszeichen 31 IN 146/05 geführt wird, nicht dazu kommt, dass dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt wird und der Kläger nach Abschluss dieses Insolvenzverfahrens verpflichtet ist, Forderungen von Gläubigern zu begleichen, die die Gläubiger in diesem Verfahren zur Insolvenztabelle angemeldet haben und die zur Tabelle festgestellt wurden, soweit diese Forderungen nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens beglichen wurden und diese Forderungen nicht als "Forderungen begangen aus unerlaubter Handlung" angemeldet wurden.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Beklagte 80 % und der Kläger 20 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von dem beklagten Rechtsanwalt Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrag.

Der Kläger betrieb einen Wach- und Sicherheitsdienst. Am 28.11.2005 stellte das Finanzamt K beim AG K (nachfolgend auch Insolvenzgericht) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Mit Schreiben vom 2.12.2005 (Bl. 51 GA = Bl. 19 Sonderband [SB]), welches dem Kläger am 6.12.2005 zuging, übersandte das Insolvenzgericht dem Kläger diesen Antrag und wies ihn unter Beifügung der Unterlagen für die Stellung eines Restschuldbefreiungsantrages darauf hin, dass das Gesetz dem Schuldner die Möglichkeit der "Restschuldbefreiung" gibt und dass Voraussetzung dafür zum einen ein eigener Insolvenzantrag des Schuldners und zum anderen ein Restschuldbefreiungsantrag ist. Gleichzeitig wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Insolvenzeröffnungsantrag binnen vier Wochen nach Zugang des Schreibens gestellt werden muss und dass der Restschuldbefreiungsantrag zusammen mit dem Insolvenzeröffnungsantrag gestellt werden soll.

Am 15.12.2005 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt T zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Am 9.1.2006 fand zwischen dem Kläger und dem Beklagten in dessen Kanzlei ein Besprechungstermin statt. Nach den Feststellungen des LG beauftragte der Kläger den Beklagten bei dieser Gelegenheit, die von den Parteien gemeinschaftlich ausgefüllten Unterlagen für einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Unterlagen für den Restschuldbefreiungsantrag unverzüglich beim Insolvenzgericht einzureichen. Das geschah jedoch nicht. Die ausgefüllten Anträge verblieben in der Handakte des Beklagten.

Am 19.7.2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet und Rechtsanwalt T zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers stellten mit Schriftsatz vom 25.5.2010 für diesen einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung. Diesen Antrag wies das AG Kleve durch Beschluss vom 23.8.2010 (Bl. 38 f. GA = Bl. 277 f. SB) als unzulässig zurück.

Das Insolvenzverfahren ist bislang noch nicht beendet.

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