Leitsatz (amtlich)

Ein lebzeitiges Eigeninteresse an einer Schenkung liegt nicht vor, wenn ihr die Einschätzung der Erblasserin zugrunde liegt, dass der Vertragserbe "schon zu Lebzeiten genug erhalten" habe.

 

Normenkette

BGB § 2287

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 1 O 49/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.1.2017 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Kleve zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf eine Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

Gemäß § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat. Da die Benachteiligungsabsicht mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden ist, wäre sie von Ausnahmefällen abgesehen in einer solchen Lage praktisch immer gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1972 IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343, 350). Dennoch greift die Vorschrift nicht zwangsläufig bei jeder Schenkung ein. Erforderlich ist vielmehr, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt vor, wenn der alleinige Zweck die Vereitelung des Eigentumsübergangs des verschenkten Gegenstandes an den Erben beim Erbfall ist. Sie liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte (BGH, Urteil vom 23. September 1981, IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 282). Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint (BGH, Urteil vom 12. Juni 1980 IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264, 266). Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht (BGH, Urteile vom 27. Januar 1982 IVa ZR 240/80, BGHZ 83, 44, 46; vom 23. September 1981 IVa ZR 185/80, NJW 1982, 43 unter 3) oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will.

In ihrer Anhörung vor dem Senat haben die Parteien die Motivationslage klargestellt. Der Kläger hat eingeräumt, dass die Unzufriedenheit der Mutter mit seiner Ehefrau nur zu leichten Spannungen führte... Die Beklagte hat ... vor dem Senat eingeräumt, dass eine Gegenleistung für die Pflege nicht die Motivation der Mutter für die Grundstücksübertragung gewesen sei. Nach ihren Angaben sollte die Übertragung nach dem Wunsch der Mutter ... auf sie als Tochter deswegen erfolgen, weil der Kläger schon zu Lebzeiten genug erhalten hatte, er nicht noch mehr erhalten sollte, weil sie fürchtete, er werde den Rest verkaufen oder "verschulden", also versilbern, beleihen oder sonst verlieren. Diese von der Beklagten eingeräumte Motivation spiegelt sich in der notariellen Übertragungsurkunde wieder: Sie dokumentiert keine Pflegeverpflichtung oder eine Gegenleistung für die gewährte Pflege, sondern eine Übertragung im Wege der "vorweggenommen Erbfolge". Das bezeichnet eine unentgeltliche Übertragung aus erbrechtlicher Motivation, da sie möglicherweise für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen Bedeutung haben kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 - IV ZR 91/09 -, BGHZ 183, 376). Damit kommt klar zum Ausdruck, dass die Mutter auch nach dem Vortrag der Beklagten die Regelung aus dem Erbvertrag, dass der Kläger Erbe sein sollte, durch eine unentgeltliche, schenkweise Weggabe der Grundstücke korrigieren wollte. Das ist der Grundfall des § 2287 BGB: Die Erblasserin verschenkte die Grundstücke in der Absicht, den Beklagten als Vertragserben zu beeinträchtigen.

Eine Verurteilung der Beklagten kann allerdings derzeit nicht erfolgen, weil die Beklagte nur Zug um Zug gegen Zahlung des Pflichtteils verurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1983 - IVa ZR 168/82 -, BGHZ 88, 269-273, NJW 1984, 121, 122). Vertragserbe und Schlusserbe müssen bei ihrer Erberwartung mit der Pflichtteilslast rechnen. Sie sind gegebenenfalls vor dem Beschenkten zur Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen verpflichtet. Demgemäß kann auch ihr Anspruch aus § 2287 BGB nur soweit reichen, wie sie in ihrer berechtigten Erberwartung beeinträchti...

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