Leitsatz (amtlich)

Der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB ist auf das beschränkt, was nach Begleichung des Pflichtteils des Beschenkten übrig bleibt,

 

Normenkette

BGB §§ 2287, 2303

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 22.06.1982)

LG Essen

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Juni 1982 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

In dem 1955 errichteten gemeinschaftlichen Testament setzten die Eltern der Klägerin sich gegenseitig zu Alleinerben und die Klägerin als einzige Tochter zum Erben des Letztversterbenden ein. Danach erwarben sie zwei Eigentumswohnungen. Die Mutter verstarb 1970, der Vater am 2.9. Dezember 1980. Er hatte am 2. Juni 1979 im Alter von 88 Jahren die Beklagte geheiratet, die seit dem Juli 1970 seine Haushälterin gewesen war. Bereits am 8. April 1976 hatte er in notarieller Urkunde der Beklagten eine der beiden Eigentumswohnungen „geschenkt” (so heißt es in der Urkunde), sich Jedoch den lebenslänglichen Nießbrauch vorbehalten. Die andere Eigentumswohnung hatte er am 10. Juni 1977 ebenfalls unter Vorbehalt des Nießbrauchs an den Sohn der Beklagten für 60.000,– DM verkauft.

Die Klägerin verlangt Übereignung der auf die Beklagte übertragenen Eigentumswohnung. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter, hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht wegen ihres Pflichtteils.

 

Entscheidungsgründe

Die angefochtene Entscheidung kann dem Revisionsangriff schon deshalb nicht standhalten, weil sie die für einen Anspruch aus § 2287 BGB gebotene Abwägung vermissen läßt.

1. Ohne Rechtsfehler wendet das Berufungsgericht diese Bestimmung entsprechend im Falle eines bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testamentes an und geht es davon aus, der Erblasser habe die Eigentumswohnung gemäß dem notariellen Vertrag vom 8. April 1976 schenkweise der Beklagten übertragen. Der Begriff der Schenkung wird in § 2287 BGB im gleichen Sinne wie in den §§ 516 ff. BGB gebraucht, so daß eine die Beklagte als Empfängerin bereichernde Zuwendung aus dem Vermögen des Erblassers und Einigkeit beider Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit gegeben sein müssen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nach dem Wortlaut des notariellen Vertrages mit näherer Begründung als eindeutig angesehen und die Zeugenaussage des Sohnes der Beklagten als dem nicht entgegenstehend bezeichnet. Da der Erblasser von Anfang an sich das Nießbrauchsrecht vorbehalten hat, kann dieses nicht Gegenleistung sein. Im Zusammenhang mit ihrer Rüge, das Berufungsgericht habe den erst 11 Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung eingeführten zusätzlichen Vortrag nicht wegen Verspätung zurückweisen dürfen, sondern die darin benannten beiden Zeugen vernehmen müssen, meint die Revision allerdings, die Frage der Schenkung sei nach deren Vernehmung möglicherweise anders zu beurteilen. Dabei übersieht sie jedoch, daß diese Zeugen nach dem Vorbringen der Beklagten zu Äußerungen des Erblassers aussagen sollen, die dieser über zwei Jahre nach dem Abschluß des Vertrages mit der Beklagten gemacht haben soll. Falls der damals schon 87 Jahre alte Erblasser zu diesem späteren Zeitpunkt meinte, die Höhe des von ihm der Beklagten gezahlten Gehaltes sei Grund der Schenkung gewesen, kann daraus angesichts des gegenteiligen Wortlauts des Vertrages nicht zwingend geschlossen werden, daß er schon bei dem Vertragsschluß ebenso dachte, geschweige denn, daß er und die Beklagte darüber einig waren. Deshalb kann die prozessuale Berechtigung dieser Revisionsrüge in diesem Zusammenhang offenbleiben.

2. Aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme haben beide Vorinstanzen übereinstimmend festgestellt, der Erblasser habe bei dieser Schenkung in der Absicht gehandelt und diese Absicht auch geäußert, daß die Klägerin von dem Vermögen ihrer Eltern nichts erhalten sollte.

Nur auf diese Benachteiligungsabsicht hat das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt, ohne auf die auch in der Berufungsbegründung angesprochene Änderung der Rechtsprechung im Jahre 1972 (BGHZ 59, 343) und auf das danach entscheidende lebzeitige Eigeninteresse des Erblassers einzugehen. In der Tat ist der spezifische Anwendungsbereich des § 2287 BGB dann gegeben, wenn die Verfügung des Erblassers ihrem Gehalt nach auf eine Korrektur des Erbvertrages oder des gemeinschaftlichen Testamentes angelegt war (BGHZ 66, 8, 16). Demgemäß genügt ein solcher Wille immer dann, wenn er ausschließlicher Beweggrund ist, um einen Anspruch aus § 2287 BGB zu bejahen.

Das Berufungsgericht hat weiter aber ausdrücklich dahinstehen lassen, ob der Erblasser mit der Schenkung die damals noch nicht mit ihm verheiratete Beklagte auch habe an sich binden wollen. „Jedenfalls” müsse „davon ausgegangen” werden, daß der maßgebliche Grund seine Absicht gewesen sei, der Klägerin nichts zukommen zu lassen. Auf diesen Umstand kommt es aber nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht mehr entscheidend an. Der IV. Zivilsenat hat 1972 entschieden, daß die Anwendung des § 2287 BGB gerade nicht davon abhängig ist, welche Absicht des Erblassers die überwiegende Motivationskraft hat (BGHZ 59, 343, 350; vgl. auch BGHZ 66, 8, 15/16). An dieser Auffassung, die in Rechtsprechung und Schrifttum weithin gebilligt wird, hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung festgehalten (BGHZ 77, 264, 267; 82, 274, 282; 83, 44, 45). Dem hat das Berufungsgericht nicht Rechnung getragen. Seine knappen Erwägungen können den Anforderungen, die an die vom Tatrichter für jeden Einzelfall vorzunehmende umfassende Abwägung im Rahmen des § 2287 BGB zu stellen sind (dazu zuletzt BGHZ 83, 44, 45 ff.), nicht genügen. Sie schließen zumindest die Möglichkeit nicht aus, daß das Berufungsgericht das Bedürfnis des alleinstehenden Erblassers nach Versorgung und Pflege im Alter von vornherein nicht hinreichend berücksichtigt hat. Der Tatrichter hat aber vor Beantwortung der Frage, ob die Schenkung trotz des notwendigen Schutzes des Vertragserben billigenswert und gerechtfertigt ist, sämtliche Umstände zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen.

Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, ohne daß auf die oben erwähnte Revisionsrüge zur Nicht Vernehmung der Zeugen weiter einzugehen ist.

3. Kommt das Berufungsgericht bei seiner Abwägung im Hinblick auf das Gewicht der Tatsachen, die die bereits vernommenen Zeugen bekundet haben, erneut zu dem gleichen Ergebnis, dann wird es entgegen seiner Ansicht das Pflichtteilsrecht der Beklagten als der Ehefrau des Erblassers zu berücksichtigen haben.

Die Frage, welches Verhältnis zwischen dem Bereicherungsanspruch des Erben gegen den vom Erblasser Beschenkten aus § 2287 BGB und dem Pflichtteilsanspruch des Beschenkten gegen den Erben besteht, ist in den Vorinstanzen nur unter den Gesichtspunkten der Aufrechnung oder des Zurückbehaltungsrechts gesehen worden. Da aber der Anspruch aus § 2287 BGB nicht zum Nachlaß gehört (BGHZ 78, 1, 3; vgl. auch Johannsen DNotZ 1977, Sonderheft S. 69, 86), ist diese Sichtweise jedenfalls dann gegenstandslos, wenn Nachlaß, aus dem ein Pflichtteilsanspruch zu berechnen und zu begleichen wäre, im Zeitpunkt des Erbfalles nicht mehr vorhanden ist.

Der Pflichtteil soll auch dem Ehegatten des Erblassers seine Beteiligung am Nachlaß zumindest in Gestalt einer Geldforderung sichern. Das Gesetz stuft ihn als Schutz der nächsten Angehörigen hoch ein (Senatsurteil vom 14.7.1983 – IVa ZR 15/82 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Dementsprechend hat der Senat schon früher ausgesprochen, daß der mit § 2287 BGB gewährte Schutz Einschränkungen erfährt, wenn ihm das Recht auf den Pflichtteil gegenübersteht; er hat das sogar in einem Fall angenommen, in dem der Pflichtteilsberechtigte auf sein gesetzliches Erbrecht (einschließlich des Pflichtteils) verzichtet hatte (BGHZ 77, 264, 269). Vertragserbe und Schlußerbe müssen bei ihrer Erberwartung mit der Pflichtteilslast rechnen. Sie sind gegebenenfalls vor dem Beschenkten zur Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen verpflichtet. Demgemäß kann auch ihr Anspruch aus § 2287 BGB nur soweit reichen, wie sie in ihrer berechtigten Erberwartung beeinträchtigt werden (Staudinger/Kanzleiter 12. Aufl. § 2287 Rdn. 7; Soergel/Wolf 11. Aufl. § 2287 Rdn. 6). Da sie die Pflichtteilsansprüche vorab zu erfüllen haben oder ohne die beeinträchtigende Schenkung zu erfüllen hätten, sind sie von vornherein nicht im Sinne von § 2287 BGB beeinträchtigt, soweit ein Geschenk des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten dessen Pflichtteil zu decken geeignet ist. Der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB ist auf das beschränkt, was nach Begleichung des Pflichtteils übrig bleibt. Deshalb muß die Klägerin, wenn sie die Herausgabe des Geschenkes beansprucht und verlangen kann, zugleich den fiktiven Pflichtteil der Beklagten an diese auskehren.

Der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB ist gegebenenfalls nach Maßgabe der Grundsätze geltend zu machen und zu berechnen, wie sie zur gemischten Schenkung von der Rechtsprechung entwickelt worden sind. Auch das hat der Senat bereits ausgesprochen (BGHZ 77, 264, 272). Dabei kann der zu begleichende Pflichtteil höchstens von dem Betrage errechnet werden, der sich aus der Summe der Werte der noch vorhandenen, also grundsätzlich herauszugebenden Schenkung und des Nachlasses für den Zeitpunkt des Erbfalles ergibt. Der so berechnete Pflichtteil ist von vornherein dem Beschenkten als Pflichtteilsberechtigten zu belassen. Deshalb kann der aus § 2287 BGB Berechtigte seinen Herausgabeanspruch – wenn er einen solchen hat – nur Zug um Zug gegen Zahlung des Pflichtteilsbetrages geltend machen (vgl. auch die Regelung für den Ausgleich von Aufwendungen, die dem Bereicherungsschuldner zu erstatten sind, dazu Urteile vom 24.6.1963 – VII ZR 229/62 – WM 1963, 834, 836 = NJW 1963, 1870, vom 18.2.1972 – V ZR 23/70 – WM 1972, 564 und vom 11.1.1980 – V ZR 155/78 – NJW 1980, 1789, 1790; vgl. weiter Johannsen DNotZ 1977 Sonderheft S. 69, 96); einer dahingehenden Einrede der Beklagten bedarf es insoweit nicht.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen, Rottmüller, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Haufe-Index 970756

BGHZ

BGHZ, 269

Nachschlagewerk BGH

JZ 1984, 102

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