Leitsatz (amtlich)

Setzen Eheleute einander gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zu alleinigen Erben und "im Falle eines gemeinsamen Ablebens" die namentlich bezeichneten Nichten der Ehefrau (zu 60% bzw. 40%) als Erben ein, so kann der in letzterer Bestimmung zum Ausdruck gebrachte (hier nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme festgestellte) Erlasserwille im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung ausgelegt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 242, 2247, 2269

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Aktenzeichen 93a VI 341/17)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Das Nachlassgericht wird angewiesen, auf den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 vom 17. August 2017 (Bl. 42 d. A.) in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 1. April 2020 (Bl. 380 d. A.) den beantragten Erbschein, der die Beteiligte zu 1 als Erbin zu 6/10 und die Beteiligte zu 2 als Erbin zu 4/10 ausweist, zu erteilen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die für die Erteilung des von ihnen beantragten Erbscheins anfallenden Gerichtskosten zu tragen. Im Übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.

Beschwerdewert: 213.447,01 EUR

 

Gründe

I. Die Ehefrau des Erblassers ist am 15. Juni 2010 vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind ihre Nichten. Die Beteiligten zu 3 bis 13 sind Verwandte des Erblassers.

Mit handschriftlichem Testament vom 26. März 2007 testierten der Erblasser und seine Ehefrau wie folgt:

"Gemeinschaftliches Testament

Wir, die Eheleute

Lutz ... und

Irene ..., geb. ...

setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende, den Überlebenden zum alleinigen Erben ein.

Düsseldorf, den 26.03.2007

(Unterschrift der Ehefrau)

Dies soll auch mein Testament sein

Düsseldorf, den 26.03.2007

(Unterschrift des Erblassers)

Im Falle eines gemeinsamen Ablebens, setzen wir als Erben ein:

60 % des Gesamtwertes: Britta ..., ...

40 % des Gesamtwertes: Katja ..., ...

(Unterschriften des Erblassers und seiner Ehefrau)

Düsseldorf, den 26.03.2007"

Mit Erbscheinsantrag vom 17. August 2017 in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 1. April 2020 haben die Beteiligten zu 1 und 2 Erteilung eines Erbscheins beantragt, der die Beteiligte zu 1 als Erbin zu 6/10 die Beteiligte zu 2 als Erbin zu 4/10 ausweist.

Das Nachlassgericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 10. Januar 2019 und vom 2. Mai 2019 sowie die schriftliche Auskunft der Notarin Bergermann vom 12. August 2019 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2020 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beteiligten zu 1 und 2 seien aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 26. März 2007 nicht Erbinnen des Erblassers geworden. Ob eine Auslegung der Formulierung "Im Falle eines gemeinsamen Ablebens" im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 einer entsprechenden Andeutung im Testament bedürfe, könne offenbleiben. Denn jedenfalls lasse sich eine Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 auch unter Würdigung der Begleitumstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Zwar hätten der Erblasser und seine Ehefrau zu den Beteiligten zu 1 und 2 eine enge familiäre und herzliche Verbindung gepflegt und der Erblasser habe der Beteiligten zu 1 als Ausdruck des Vertrauensverhältnisses eine Kontovollmacht erteilt. Indessen habe er auch der Zeugin B eine Vollmacht erteilt, ohne sie als Erbin einzusetzen. Soweit die Zeugen P und O bekundet hätten, der Erblasser und seine Ehefrau hätten im Jahr 2010 erklärt, alles geregelt zu haben, sei dem kein besonderer Beweiswert zuzumessen. Denn es existiere kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Erblasser immer die Wahrheit darüber sagten, wie testiert worden sei. Ausweislich der schriftlichen Auskunft der Notarin ... sei der Erblasser auf die Auslegungsbedürftigkeit der Formulierung aufmerksam gemacht worden. Der Erblasser habe daraufhin keine Beratung gewünscht. Es lasse sich danach nicht mit Sicherheit ausschließen, dass der Erblasser und seine Ehefrau lediglich im Sinne einer sog. Katastrophenklausel hätten testieren wollen und der Erblasser es nach dem Tod seiner Ehefrau nicht für nötig gehalten habe, die Beteiligten zu 1 und 2 zu Schlusserben einzusetzen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2. Sie machen geltend, das im Testament genannte gemeinsame Ableben sei nicht im Sinne eines engen zeitlichen Zusammenhangs zu verstehen, sondern könne auch auf den Tod beider Eheleute nach dem Versterben des Letztversterbenden hindeuten. Die Formulierung "Im Falle" beziehe sich auf die hier gegebene Sachlage, dass der überlebende Erblasser davon abgesehen habe, abweichend zu testieren. Dass er der Beteiligten zu 1 Kontovollmacht erteilt habe, belege, dass er sich mit seinem Tod auseinandergesetzt habe. Dass er trotz Hinweises des Notariats ... kein weiteres Testament errichtet habe, spreche nicht dafür, dass er die gesetzliche Erbfolge habe in Kauf nehmen wollen. Vielmehr habe er sich offensichtlich kurz nach de...

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