Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung in einem Heimvertrag, der Heimträger habe das Heimentgelts unmittelbar mit dem Kostenträger abzurechnen, soweit dieser die Zahlung ganz oder teilweise übernommen habe, befreit den Heimbewohner nicht von der Zahlung des restlichen Heimentgelts und dem Risiko der ausbleibenden Bewilligung von Leistungen des Kostenträgers.

2. Das System der Erstattung von Heimkosten ist nicht darauf angelegt, den Sozialhilfeträger ggü. dem Heimträger in Vorleistung treten und Rückgriff bei dem Heimbewohner nehmen zu lassen; die Erstattungspflicht des Sozialhilfeträgers besteht vielmehr von vornherein nur anteilig entsprechend der fehlenden Leistungsfähigkeit des Bewohners.

3. Wegen der Heimkosten eines verstorbenen Bewohners hat sich der Heimträger, bevor der Sozialhilfeträger in Anspruch genommen werden kann, zunächst aus dem Nachlass zu befriedigen.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 611, 1922, 1967; SGB XII § 19 Abs. 3, 5-6

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 3 O 465/09)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

2. Der für den 9.11.2010 geplante Senatstermin entfällt.

 

Gründe

I. Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat der Klage im tenorierten Umfang zu Recht stattgegeben. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Beklagten günstigere Entscheidung.

1. Das LG hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung des Heimentgeltes von insgesamt 8.831,83 EUR aus § 9 des Heimvertrages vom 17.8.2006 (im Folgenden: HeimV) i.V.m. §§ 1922, 1967 BGB zusteht.

a. Der Beklagte hat nicht bestritten, der Alleinerbe seiner Ehefrau zu sein. Gemäß §§ 1922, 1967 BGB haftet der Erbe, der sich nicht auf die beschränkte Erbenhaftung beruft, uneingeschränkt für die Nachlassverpflichtungen. Zu diesen Verpflichtungen gehört die Zahlung des geschuldeten Heimentgeltes. Der Beklagte schuldet als Erbe den Anteil, den der Erblasser geschuldet, aber nicht mehr erfüllt hat. Gemäß § 9 Abs. 1 HeimV ist Schuldner des Heimentgeltes nämlich grundsätzlich der Bewohner. Der Höhe nach hat der Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Restheimentgelt nicht bestritten.

b. Der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des geltend gemachten Restheimentgeltes steht § 9 Abs. 2 HeimV nicht entgegen. Der Sache nach handelt es sich bei dieser Regelung lediglich um eine vorläufige Stundungsvereinbarung und nicht um eine Verlagerung des Bewilligungsrisikos hinsichtlich sozialrechtlicher Leistungen auf die Klägerin. Das Risiko der Bewilligung sozialrechtlicher Leistungen ist vielmehr nach Grund und Höhe bei der verstorbenen Ehefrau des Beklagten verblieben. Denn die Klägerin ist nach § 9 Abs. 2 HeimV nur dann gehalten, die Abrechnung unmittelbar ggü. dem Kostenträger vorzunehmen, soweit ein öffentlicher Kostenträger die Zahlung des vorgenannten Entgeltes ganz oder teilweise übernommen hat.

Anders als der Beklagte meint, hat der Sozialhilfeträger hier die Zahlung des Heimentgeltes i.S.d. § 9 Abs. 2 HeimV nicht vollständig "übernommen". Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Leistungsbescheid vom 26.10.2006. Darin ist zunächst bestimmt worden, dass die Stadt W. die entstehenden Heimpflegekosten der verstorbenen Ehefrau des Beklagten von zur Zeit täglich 179,92 EUR übernimmt. Gleichzeitig ist in dem Bescheid jedoch festgehalten worden, dass dem Beklagten und seiner verstorbenen Ehefrau zuzumuten sei, die Sozialhilfeaufwendungen "teilweise zu ersetzen". Aus der mehrdeutigen Formulierung des Leistungsbescheides kann nicht - wie der Beklagte meint - geschlossen werden, dass das Heimentgelt auch i.S.d. § 9 Abs. 2 HeimV vollständig vom Sozialhilfeträger "übernommen" worden sei. Denn die Stadt W. ist ggü. dem Beklagten und seiner verstorbenen Ehefrau nicht bezüglich des gesamten Heimentgeltes in Vorleistung getreten. § 9 Abs. 2 HeimV stellt aber nach seinem Wortlaut (Abrechnung, d.h. Rechnungsstellung entsprechend Bescheidvorlage) sowie seinem Sinn und Zweck (Stundungsvereinbarung) gerade auf die tatsächlich geleisteten Zahlungen des Kostenträgers ab. Denn die Regelungen des Heimvertrages bezwecken nicht eine Verlagerung des Bewilligungsrisikos bezüglich sozialrechtlicher Leistungen auf die Klägerin. Grund dafür ist u.a., dass der Pflegeeinrichtung regelmäßig die vermögensrechtlichen Verhältnisse ihrer Bewohner nicht ausreichend bekannt sind (vgl. BGH NJW 2005, 1363; Senat Beschl. v. 19.10.2010 - I-24 W 57/10 - z. Veröff. best.;). Es besteht nach allem keinerlei Veranlassung, dem Heim im Hinblick auf die Regelung des § 9 Abs. 2 HeimV die materielle Beweislast für die sozialrechtliche Hilfebedürftigkeit des Pflegebedürftigen und seiner Angehörigen aufzubürden.

Die Stadt W. hat das gem. § 9 Abs. 1 HeimV geschuldete Heimentgelt entsprechend ihrem Leistungsbescheid vom 26.10.2006 in der F...

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