Leitsatz (amtlich)

1. Ist der Anspruch des Heimträgers auf Zahlung eines Teils des Heimentgelts (Investitionskostenanteil) gestundet, weil der Heimträger für den Bewohner Pflegewohngeld beim zuständigen Sozialamt beantragt hat, so endet diese Stundung, wenn der Bewohner oder sein Vertreter die für die Entscheidung des Sozialamts notwendigen Unterlagen nicht vorlegt.

2. Bezieht der Heimbewohner Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung, so sind die Heimkosten taggenau zu berechnen, mit der Folge, dass die Zahlungspflicht mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt; abweichende Vereinbarungen zwischen dem Träger des Pflegeheims und dem Heimbewohner oder dessen Kostenträger sind unwirksam.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 611; HeimG § 5 Abs. 1 a.F.; SGB I §§ 60, 66; SGB XI § 87a Abs. 1; PfG NW § 12 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Beschluss vom 23.06.2010; Aktenzeichen 3 O 153/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des LG Wuppertal vom 23.6.2010 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 11.8.2010 teilweise abgeändert:

Der Beklagten wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus D. bewilligt, soweit sie sich gegen den Antrag zu Ziff. 1. n) verteidigt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 127 Abs. 4 ZPO.

 

Gründe

Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist lediglich hinsichtlich des Antrags zu Ziff. 1. n) begründet, im Übrigen unbegründet. Das LG hat der Beklagten im Ergebnis zu Recht die beantragte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung bezüglich der weiteren Anträge verweigert, § 114 ZPO.

1. Der Senat folgt dem LG in der Beurteilung, dass hier ein wirksamer Heimvertrag abgeschlossen worden ist. Denn die Beklagte hat nicht bestritten, dass ihre Tochter bevollmächtigt gewesen sei, für sie einen Heimvertrag abzuschließen. Ob der Tochter I. M. (im Folgenden: Tochter) beim Unterzeichnen des Heimvertrages aufgrund ihrer Blindheit die Hand zur Unterschriftsleistung geführt worden ist oder nicht, ist unerheblich. Denn es liegt weder ein Verstoß gegen ein Formerfordernis vor noch ist ersichtlich, dass die Beklagte eine entsprechende Willenserklärung zum Abschluss eines Heimvertrages nicht abgeben wollte. Zunächst ist Schriftform für einen Heimvertrag nicht erforderlich, sondern nach dem im Zeitpunkt des Abschlusses des Heimvertrags (6.7.2006) geltenden § 5 Abs. 1 HeimG lediglich eine schriftliche Bestätigung durch den Heimträger. Darüber hinaus führt die Beklagte gar nicht aus, dass sie bzw. ihre Bevollmächtigte den Heimvertrag nicht abschließen wollte. Vielmehr war der Abschluss eines Heimvertrages unstreitig von den Parteien gewünscht. Auch wird nicht behauptet, dass die Tochter etwas von den Vertragsverhandlungen Abweichendes unterschrieben hätte, gleichgültig ob ihr dabei die Hand geführt worden sei oder nicht. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut der Kündigung der Beklagten vom 9.10.2007. Im Übrigen wäre aus der Sicht der Bevollmächtigten der Beklagten eine Kündigung des "mit Ihnen geschlossenen Heimvertrages" nicht notwendig gewesen, wenn ein solcher Heimvertrag nicht zuvor wissentlich und willentlich vereinbart worden wäre.

2. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Heimentgelte gem. Ziff. 1a bis m der Klageschrift aus dem Heimvertrag (HV) zu. Nach § 7 Abs. 1 HV setzt sich das Heimentgelt aus Beträgen für allgemeine Pflegeleistungen, Unterkunft und Verpflegung, investive Kosten und einem Einzelzimmerzuschlag zusammen. Danach ist die Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten aus § 7 Abs. 1 HV auch berechtigt, investive Kosten ggü. der Beklagten geltend zu machen.

Dieser zivilrechtliche Anspruch ist nicht gestundet. Die Beklagte hat die Voraussetzungen einer solchen Stundung nicht ausreichend vorgetragen. Von einer anfänglichen Stundung des zivilrechtlichen Anspruchs ggü. der Beklagten könnte zwar aufgrund der Geltendmachung eines Anspruchs der Klägerin auf Pflegewohngeld gem. § 12 Abs. 3 PfG NW ggü. dem zuständigen Sozialamt ausgegangen werden. Der Antrag der Klägerin ist auch vom Sozialamt (noch) nicht beschieden worden. Eine Entscheidung des Sozialamtes konnte aber unstreitig deshalb nicht getroffen werden, weil die Beklagte bzw. deren Tochter die notwendigen Unterlagen, nach der das Sozialamt beurteilen konnte, ob das Einkommen und Vermögen der Heimbewohnerin zur Finanzierung der Aufwendung für Investitionskosten ganz oder teilweise ausreicht, nicht beigebracht hat. Diese fehlende Mitwirkungshandlung der Beklagten führt zu einem Erlöschen der Stundungsverpflichtung der Klägerin. Gemäß § 6 Abs. 3 PflFEinrVO sind es nämlich die Pflegebedürftigen selbst, die ggü. der zuständigen Behörde zur Mitwirkung bei der Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen verpflichtet sind (VG Köln, Urteil vom 14.2.2008 z...

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