Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts N. vom 7. Dezember 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts N. zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 80 Euro festgesetzt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde.

II.

Die mit Blick auf das erkannte Fahrverbot nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

1. Der Betroffene stützt sein Rechtmittel in verfahrensrechtlicher Hinsicht unter anderem darauf, dass Amtsgericht habe seinen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag, "den verantwortlichen Messbeamten zu laden zu der Beweisfrage, ob dieser das Messgerät nach den Vorgaben der Bedienungsanleitung aufgestellt und in Betrieb genommen hat" vollständig übergangen hat. Dies trifft ausweislich des Sitzungsprotokolls zu.

2. Die Nichtbeachtung des genannten Antrags erweist sich als durchgreifender Rechtsfehler, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen muss. Zwar handelt es sich bei dem hier zur Rede stehenden Beweisbegehren seinem Wortlaut nach nicht um einen Beweisantrag, sondern um einen Beweisermittlungsantrag, weil keine bestimmten Tatsachen behauptet werden, sondern Beweis darüber verlangt wird, "ob" sie vorgelegen haben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. [2017], § 244 Rn. 20b). Dies ändert indes nichts daran, dass über den Antrag eine Entscheidung hätte getroffen werden müssen, entweder durch die Anordnung des Tatrichters, dass dem Begehren nachzugehen ist, oder aber durch die Ablehnung des Antrags, die nach § 34 StPO so zu begründen gewesen wäre, dass der Antragsteller über den Grund der Ablehnung ausreichend unterrichtet und dadurch in die Lage versetzt wird, sein weiteres Prozessverhalten darauf einzurichten und eventuell weitere Beweisanträge zu stellen (vgl. BGH Beschluss vom 2. Oktober 2010 - 3 StR 373/07 ≪[...]≫). Eine solche Entscheidung ist unerlässlich, denn der Antragsteller darf - schon aufgrund seines Anspruchs auf rechtliches Gehör - nicht im Unklaren darüber gelassen werden, warum seinem Antrag nicht nachgegangen wird (vgl. BGH a.a.O.; Krehl in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. [2013], § 244 Rn. 101 m.w.N.; BayObLG Beschluss vom 15. Mai 1986 - 1 Ob OWi 81/86 m.w.N. für den Beweisantrag). Gegen diese Grundsätze, die nicht nur für die Anwendung des § 244 StPO im Strafverfahren, sondern nach § 71 OWiG (mit den Einschränkungen des § 77 OWiG) auch im Bußgeldverfahren gelten (vgl. BayObLG a.a.O.) hat das Amtsgericht durch die völlige Außerachtlassung und Nichtbescheidung des zur Rede stehenden Beweisbegehrens verstoßen und hierdurch auch den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt.

3. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil, ohne dass es darauf ankäme, ob das Amtsgericht den Antrag mit rechtsfehlerfreier Begründung hätte ablehnen können. Denn es kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass der Betroffene, wenn sein Antrag nicht übergangen, sondern in der Hauptverhandlung durch eine mit zumindest kurzer Begründung versehene Entscheidung abgelehnt worden wäre, durch weiteres tatsächliches Vorbringen die für das Amtsgericht maßgeblichen Ablehnungsgründe hätte entkräften oder zusätzliche - formell richtige - Beweisanträge hätte stellen können.

4. Wegen des vorerwähnten Rechtsfehlers ist das angefochtene Urteil nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

5. Da bereits die vorstehend behandelte Verfahrensrüge zum Erfolg führt, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen und die zugleich von dem Betroffenen erhobene Sachrüge nicht. Der Senat sieht jedoch Anlass zu dem ergänzenden Hinweis, dass das angefochtene Urteil auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht durchgreifenden Bedenken begegnet, weil die Beweiswürdigung unklar ist und nicht erkennen lässt, ob das Amtsgericht sich rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Betroffenen überzeugt hat. Die Gründe des angefochtenen Urteils enthalten weder eine wirksame Bezugnahme auf die in den Akten befindliche Kopie des Radarfotos im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG noch eine Beschreibung, die dem Senat die Prüfung ermöglicht, ob das Foto für eine Identifizierung geeignet ist. Die Bezugnahme auf ein Radarfoto muss in den Urteilsgründen deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (BGHSt 41, 376, 382). Das muss nicht in der Weise geschehen, dass die Vorschrift des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO angeführt und ihr...

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