Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt: Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes bei krankheitsbedingtem höheren Unterhaltsbedarf. Bewertung von Pflegegeld als Einkommen mit Lohnersatzfunktion

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Halbteilungsgrundsatz ist auch bei krankheitsbedingt erhöhtem Unterhaltsbedarf des Berechtigten zu beachten.

2. Zur Bewertung von Leistungen aus der Pflegeversicherung als unterhaltsrelevantes Einkommen mit Lohnersatzfunktion.

 

Normenkette

BGB § 1578

 

Verfahrensgang

AG Oberhausen (Beschluss vom 30.09.2009; Aktenzeichen 55 F 752/08)

 

Tenor

In der Familiensache pp. wird die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG Oberhausen vom 30.9.2009 zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der 1965 geborene Antragsteller und die 1958 geborene Antragsgegnerin haben am 3.3.1995 geheiratet. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Trennung der Parteien erfolgte im Februar 2007.

Am 10.2.2007 unternahm die Antragsgegnerin einen Suizidversuch und liegt seitdem im Wachkoma. Ihr monatlicher Unterhalts- und Pflegebedarf beläuft sich auf 5.500 EUR bis 6.000 EUR. Die Antragsgegnerin erhält eine Erwerbsminderungsrente von 1.046 EUR und ein Pflegegeld von 1.279 EUR; im Übrigen bezieht sie Leistungen nach dem SGB XII.

Der Antragsteller verfügt - unstreitig - über ein um berufsbedingte Aufwendungen bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.955 EUR; er macht zudem den einkommensmindernden Abzug von Kreditverbindlichkeiten geltend.

Das AG hat der Antragsgegnerin im vorliegenden Verbundverfahren Prozesskostenhilfe in der Folgesache Nachscheidungsunterhalt i.H.v. 1.237 EUR bewilligt. Den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung weiterer Prozesskostenhilfe bis zu einem Betrag von 2.955 EUR hat das AG mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

II. Die - zulässige - Beschwerde ist nicht begründet.

Der Antragsgegnerin steht ein über monatlich 1.237 EUR - insoweit hat das AG Prozesskostenhilfe bewilligt - hinausgehender Unterhaltsanspruch nicht zu. Bei einer höheren Unterhaltszahlung wäre der für die Bedarfsbestimmung geltende Halbteilungsgrundsatz verletzt, wonach dem Unterhaltsverpflichteten jedenfalls die Hälfte des eheprägenden Einkommens verbleiben muss (BGH in FamRZ 2001, 986, 991; 2006, 683, 686). Dies folgt aus dem Gebot, dass beide Ehegatten in gleicher Weise auch nach Trennung und Scheidung an den ehelichen Lebensverhältnissen teilhaben.

Die ehelichen Lebensverhältnisse wurden durch die beiderseitigen Erwerbseinkünfte der Parteien aus vollschichtiger Tätigkeit bestimmt. Auf Seiten der Antragsgegnerin ist an die Stelle ihrer Erwerbseinkünfte jedenfalls die Erwerbsminderungsrente getreten. Ob auch die Leistungen aus der Pflegeversicherung als Einkommen mit Lohnersatzfunktion zu bewerten sind, ist, soweit erkennbar, bisher ober- oder höchstgerichtlich nicht entschieden worden, kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen, wie sich aus der nachfolgenden Berechnung ergibt.

Die der Bedarfsbemessung zugrunde zu legenden Einkünfte der Parteien belaufen sich auf maximal 4.436 EUR, wovon dem Antragsteller nach dem Halbteilungsgrundsatz jedenfalls 2.218 EUR verbleiben müssen. Der Antragsteller verfügt über ein monatliches bereinigtes Nettoeinkommen von 3.955 EUR. Ob der Abzug von - streitigen - Kreditverpflichtungen unterhaltsrechtlich geboten ist, mag im Hauptsacheverfahren geklärt werden und ist für die Entscheidung des Beschwerdeverfahrens ohne Bedeutung. Vom bereinigten Nettoeinkommen des Antragstellers ist jedoch jedenfalls der Erwerbstätigen-bonus (1/7) in Abzug zu bringen (BGH in FamRZ 2006, 387, 392), so dass (3.955 EUR - 565 EUR =) 3.390 EUR verbleiben. Auf Seiten der Antragsgegnerin ist - jedenfalls - die Erwerbsminderungsrente von 1.046 EUR zu berücksichtigen.

Dem Antragsteller ist von seinem Einkommen von (maximal) 3.955 EUR zunächst der Erwerbstätigenbonus von 565 EUR zu belassen, so dass 3.390 EUR verbleiben. Zahlt er sodann einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 1.237 EUR, wofür das AG bereits auch Prozesskostenhilfe bewilligt hat, so verbleiben ihm 2.153 EUR, mithin weniger, als ihm nach dem Halbteilungsgrundsatz mit 2.218 EUR zu verbleiben hat.

Würde auch das Pflegegeld als Einkommen mit Lohnersatzfunktion bewertet, beliefen sich die eheprägenden Einkünfte der Parteien auf insgesamt (3.390 EUR + 1.046 EUR + 1.279 EUR =) 5.715 EUR, so dass dem Antragsteller nach dem Halbteilungsgrundsatz 2.858 EUR verbleiben müssten, mithin noch mehr als ohne eine solche Zurechnung.

Danach steht der Antragsgegnerin jedenfalls kein über monatlich 1.237 EUR hinausgehender Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2315357

FamRZ 2010, 1252

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