Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsobliegenheit bei Betreuung eines 11-jährigen Gymnasialkindes

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Beurteilung der Erwerbsobliegenheit eines betreuenden Elternteils:

Auch nach neuem Recht ist eine pauschalierende Beurteilung anhand des Kindesalters zulässig.

 

Normenkette

BGB § 1570 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Neuss (Aktenzeichen 45 F 62/08)

 

Tenor

I. Der Streitwert für die Berufungsverfahren wird auf 2.520 EUR festgesetzt.

II. Zur Vorbereitung des anstehenden Verhandlungstermins weist der Senat die Parteien darauf hingewiesen, dass die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg hat.

 

Gründe

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Der Kläger ist weiterhin verpflichtet, der Beklagten zumindest in der vom AG nunmehr ermittelten Höhe Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB zu leisten, der zurzeit weder herabzusetzen noch zu befristen ist.

I. Bedarf der Beklagten

Aus dem Vergleichsvorschlag des AG Neuss vom 21.11.2006 in dem Ausgangsverfahren 45 F 57/05 (Bl. 279 ff., 45 F 57/05) ergibt sich, dass das AG von einem monatlichen Bedarf der Beklagten von 2.000 EUR ausgegangen ist mit der Begründung, die Beklagte müsse ansonsten ihren konkreten Bedarf darlegen. Damit ist das AG von dem höchst möglichen Quotenbedarf (3/7 von 4.800 EUR) ausgegangen. Im Abänderungsverfahren fehlt es seitens des Klägers an Angaben dazu, wie der Bedarf der Beklagten nunmehr zu bemessen ist. Die Beklagte ihrerseits hat lediglich im Hinblick auf die Geldentwertung einen Betrag von 2.200 EUR angesetzt. Da ein schlüssiges bzw. erhebliches Vorbringen der Parteien zum Bedarf der Beklagten nicht erfolgt ist, muss unter Berücksichtigung der Ausgangsentscheidung der Bedarf der Beklagten festgesetzt werden.

Ausgehend davon, dass dem Urteil des AG Neuss vom 21.11.2006 der höchst mögliche Quotenbedarf von zugrunde liegt, ist dieser Quotenbedarf auch für das Abänderungsverfahren maßgebend. Der Bedarf der Beklagten ist daher mit 2.185 EUR anzusetzen (3/7 von 5.100 EUR).

II. Einkünfte und Unterhaltsanspruch der Beklagten

Ihren ehelichen Bedarf kann die Beklagte lediglich zum Teil durch ihre eigenen Erwerbseinkünfte decken.

Die Lohnsteuerbescheinigung der Beklagten bezüglich des Kalenderjahres 2007 Bl. 31 GA) weist ein Jahresbruttoeinkommen von 23.470,77 EUR aus. Daraus ergibt sich folgende Nettoberechnung für das Kalenderjahr 2008:

Bruttolohn: 23.470,77 EUR

LSt-Klasse 2 Kinderfreibeträge 0,5

Lohnsteuer: -2.568 EUR

Solidaritätszuschlag -99,44 EUR

Rentenversicherung (19,9 %) -2.335,34 EUR

Arbeitslosenversicherung (3,3 %) -387,27 EUR

Krankenversicherung AN-Anteil (14,3 %/2+0,9 %) -1.889,40 EUR

Pflegeversicherung (AN-Anteil 0,85 %) -199,50 EUR

Nettolohn: 15.991,82 EUR

15991,82/12 = 1.332,65 EUR

Entgegen der Auffassung des Klägers sind der Beklagten keine weiteren Erwerbseinkünfte zuzurechnen. Der Kläger kann sich nicht erfolgreich auf die zum 1.1.2008 eingetretene Änderung des § 1570 BGB stützen.

Gemäß § 1570 BGB n.F. kann der geschiedene Ehegatte ohne weitere Begründung nur für die Dauer von drei Jahren nach der Geburt des Kindes Betreuungsunterhalt beanspruchen. Danach kann der Anspruch auf Betreuungsunterhalt im Einzelfall aus kindbezogenen, § 1570 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB, oder aus elternbezogenen, § 1570 Abs. 2 BGB, Gründen verlängert werden. Für die Umstände, die eine solche Verlängerung rechtfertigen, ist der Unterhaltsberechtigte darlegungs- und beweispflichtig (Vgl. BGH, Urt. v. 6.2.2008 - XII ZR 14/06).

Der Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung wurde durch das am 1.1.2008 in Kraft getretene neue Unterhaltsrecht deutlich betont, während die nacheheliche Solidarität als das Unterhaltsrecht bestimmender Faktor deutlich zurückgedrängt wurde. Anders als bisher enthält § 1570 BGB keinen einheitlichen Unterhaltsanspruch mehr für einen ehemaligen Ehegatten, der wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sein kann, sondern differenziert zwischen verschiedenen Altersstufen und Situationen. Der Gesetzgeber hat es dabei vermieden, eine Altersgrenze festzulegen, ab der von einem Elternteil eine vollschichtige oder teilweise Erwerbstätigkeit erwartet werden kann. Allerdings wird durch die 3-Jahres-Grenze des § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB ein deutlicher Anhaltspunkt dafür geschaffen, dass ab diesem Zeitpunkt eine zumindest zeitweise Erwerbstätigkeit trotz bestehender Kindesbetreuung als grundsätzlich zumutbar anzusehen ist. Dennoch müssen die besonderen Anforderungen und Bedürfnisse der Kinder in bestimmten Altersphasen berücksichtigt werden (vgl. OLG München, Urt. v. 4.6.2008 - 12 UF 1125/07).

Die Beklagte hat vorliegend ausführlich und detailliert dargelegt, dass es ihr aus kindbezogenen Gründen nicht möglich und zumutbar ist, ihre Arbeitstätigkeit in dem vom Kläger verlangten Rahmen auszuweiten. Die von der Beklagten aufgeführten Erwägungen sind insgesamt überzeugend.

Die übliche Arbeitszeit der Beklagten beläuft sich auf fünf Stunden täglich. Daneben leistet die Beklagte noch Überstunden. Das Argument, die Beklagte belege durch diese Über...

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