Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Pflichtverteidigerin Rechtsanwältin v. D. wird der Beschluss der 14. (großen) Strafkammer des Landgerichts D. vom 23. September 2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Landgericht D. vom 1. August 2019 wird dahin abgeändert, dass die zugunsten der Staatskasse ausgesprochene Festsetzung eines Rückforderungsanspruchs gegen Rechtsanwältin v. D. entfällt.

  2. Der Antrag der Beschwerdeführerin, die Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen nach § 307 Abs. 2 StPO analog auszusetzen, ist gegenstandslos.
  3. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wurde dem seit 28. November 2011 inhaftierten Angeklagten L. in dem gegen S. u. a. vor der 14. Strafkammer des Landgerichts D. geführten umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren mit Beschluss vom 24. Januar 2012 als Pflichtverteidigerin beigeordnet. Seit Beginn der Hauptverhandlung am 23. Oktober 2012 nahm sie an 77 - oft ganztägigen - Hauptverhandlungsterminen teil; das am 31. Juli 2014 verkündete Urteil der Kammer erlangte am 11. Dezember 2015 Rechtskraft. Im Laufe des Verfahrens wurde zugunsten der Beschwerdeführerin jeweils auf ihren Antrag gemäß § 47 RVG eine Vielzahl von Vorschüssen auf die aus der Staatskasse zu gewährende Pflichtverteidigervergütung (insgesamt 51.652,61 €) sowie ein Vorschuss auf eine zu erstattende Dokumentenpauschale (25.563,46 €) festgesetzt und zur Auszahlung gebracht.

Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2014 (wenige Tage vor Urteilsverkündung) beantragte die Beschwerdeführerin, ihr für das gesamte Verfahren bis einschließlich der Hauptverhandlung vom 5. Mai 2014 einen - der Höhe nach ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellten - Vorschuss auf die zu erwartende Pauschgebühr zu gewähren, welche an die Stelle der gesetzlichen Gebühren treten solle.

Mit Beschluss vom 27. November 2014 bewilligte der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts der Beschwerdeführerin "als Vorschuss auf eine anstelle der gesetzlichen Gebühren nach Nr. 4101, 4105, 4119, 4121 und Nr. 4122 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz noch zu gewährende Pauschgebühr" einen Betrag von 57.500,00 € und ordnete die Anrechnung bereits angewiesener gesetzlicher Pflichtverteidigergebühren an. Zur Begründung seiner Entscheidung verwies der Senat auf die zuvor eingeholte und der Beschwerdeführerin bekannt gegebene Stellungnahme der Vertreterin der Landeskasse, die nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Umfang und der Schwierigkeit des Verfahrens einerseits sowie dem Ausnahmecharakter des § 51 RVG andererseits wegen Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren einen Gesamtvorschuss von 57.000,00 € (5.500,00 € anstelle der Gebühren VV Nr. 4101, 4105 und 4119 sowie 51.500,00 € anstelle der Gebühren VV Nr. 4121 und 4122) vorgeschlagen hatte. Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2014 bezifferte die Beschwerdeführerin den ihr nach Anrechnung bereits aus der Staatskasse erhaltener Zahlungen noch zustehenden Vorschuss auf die zu erwartende Pauschgebühr auf 24.741,29 € (brutto); dieser Betrag wurde mit Beschluss vom 10. Dezember 2014 antragsgemäß festgesetzt und sodann zur Auszahlung gebracht.

Unter dem 19. Juli 2018 - also ca. dreieinhalb Jahre später - legte der Bezirksrevisor namens der Landeskasse gemäß § 56 RVG jeweils Erinnerung ein gegen die Festsetzung vom 10. Dezember 2014 über 24.741,29 €, weil Rechtsanwältin v. D. den erforderlichen Antrag auf (abschließende) Bewilligung der Pauschgebühr nicht gestellt habe sowie gegen sämtliche für Rechtsanwältin v. D. gemäß § 47 RVG erfolgten vorschussweisen Festsetzungen von Pflichtverteidigervergütung, weil die Verteidigerin der ihr als Nebenpflicht aus der Beiordnung erwachsenen Verpflichtung zur Vorlage einer ordnungsgemäßen Schlusskostenrechnung nicht nachgekommen sei.

Mit Schriftsatz vom 8. August 2018 brachte die Beschwerdeführerin daraufhin beim Oberlandesgericht D. unter Bezugnahme auf ihren Vorschussantrag und den Senatsbeschluss vom 27. November 2014 einen Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr in Höhe von 57.500,00 € anstelle der gesetzlichen Gebühren nach Nr. 4101, 4105, 4119, 4121 und Nr. 4122 des Vergütungsverzeichnisses derAnlage 1 zum RVG an. Hierzu nahm die Vertreterin der Landeskasse am2. November 2018 Stellung. Sie schlug nunmehr vor, der Beschwerdeführerin lediglich anstelle der gesetzlichen Grundgebühr nach VV Nr. 4101 RVG eine Pauschgebühr in Höhe von 3.000,00 € zu bewilligen, im Übrigen führte sie aus, sie halte die gesetzlichen Verfahrensgebühren nach VV Nr. 4105 und 4119 mit Blick auf die insoweit geltenden restriktiven verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht für unzumutbar im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG; eine Erhöhung der Terminsgebühren komme angesichts der inzwischen veränderten Rechtsprechung des 3. Strafsenats, der diese nur noch in absoluten Ausnahmefällen gewähre, ebenfalls nicht in Betracht.

Übereinstimmend hiermit bewill...

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