Verfahrensgang

BKartA (Beschluss vom 01.02.2016; Aktenzeichen VK 1-122/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 1.2.2016 (VK 1-122/15) aufgehoben.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt, die auch die der Beigeladenen und der Antragsgegnerin in diesen Verfahren entstandenen Aufwendungen und außergerichtlichen Kosten zu tragen hat.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist für die Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig gewesen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb die Neubeschaffung von drei Zollbooten im offenen Verfahren unionsweit aus. Zuschlagskriterium ist der Preis. Die Leistungsbeschreibung, die auf Bieterfragen nachträglich teilweise abgeändert wurde, sah so genannte Optionen vor, die in Anspruch genommen werden sollten, wenn die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ausreichen. Sämtliche Bieter mussten das Vorgängermodell besichtigen. Über die jeweilige Besichtigung erstellte die Antragsgegnerin ein Protokoll. Eine anonymisierte Zusammenfassung der Besichtigungsprotokolle übersandte sie unter dem 30.07.2015 an alle Bieter.

Die Antragstellerin, ein Unternehmen aus Finnland, die Beigeladene, ein Unternehmen aus Estland, sowie weitere Bieter gaben fristgerecht Angebote ab. Das Angebot der Beigeladenen ist das preisgünstigste.

Mit Schreiben vom 18.11.2015 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr der Zuschlag nicht erteilt werden könne. Sie habe nicht das günstigste Angebot abgegeben. Außerdem sei das Angebot wegen fehlender Einzelpreise von der Wertung auszuschließen, weil sie die als optionale Position vorgesehene Kombüse in der Ausführung als geschlossener Raum bereits in die Grundausführung mit eingerechnet habe. Ein weiterer Ausschlussgrund liege darin, dass die Antragstellerin eine unzulässige Änderung der Preise vorgenommen habe, indem sie im Rahmen der Angebotsaufklärung die Kosten für die optionale Position "Hauptdeck aus Alu-Glattblech" von EUR 0,00 auf minus EUR 1.000,- geändert habe. Es sei beabsichtigt, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.

Nach erfolgloser Rüge stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer untersagte der Antragsgegnerin den Zuschlag. Die Vergabeunterlagen seien in mehrfacher Hinsicht unklar oder missverständlich, wodurch sich die Zuschlagschancen der Antragstellerin verschlechtert hätten. Im Fall fortbestehender Beschaffungsabsicht habe die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen, die Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu überarbeiten und den Bietern erneut Gelegenheit zur Angebotsabgabe zu geben.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beigeladenen. Sie ist der Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil die Angabe eines Empfangsberechtigten im Geltungsbereich des GWB fehlte. Vermeintliche Widersprüche der Vergabeunterlagen hätten gerügt werden müssen. Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet, weil die Vergabeunterlagen nicht unklar seien. Die auf Bieterfragen vorgenommenen Änderungen seien eindeutig gewesen. Die Antragsgegnerin habe das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschlossen, zum einen weil sie die Angabe des Preises für die Position "Hauptdeck aus Alu-Glattblech (Option)" von EUR 0,00 nicht begründet habe, und zum anderen, weil die Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung ihr Angebot insoweit auf minus EUR 1.000 umgeändert habe. Auch im Hinblick auf das Einrechnen der Option Kombüse in die Grundausführung liege eine Änderung der Vergabeunterlagen durch die Antragstellerin vor.

Mit ihrer Entscheidung habe die Vergabekammer ihr, der Beigeladenen, Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil sie ihr nach dem neuen Vorbringen der Antragstellerin auf den Hinweis vom 25.01.2016, der Nachprüfungsantrag sei zurückzuweisen, keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt habe.

Die Beigeladene beantragt, den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Beschluss der Vergabekammer. Wenn die Vergabeunterlagen dahin auszulegen seien, dass der spätere Einbau eines SCR-Filters bei der Dimensionierung der Boote zu berücksichtigen sei, müsse das Angebot der Beigeladenen wegen Abweichung von den Anforderungen der Leistungsbeschreibung ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf die Abweichung der Preise zwischen Baugruppenverzeichnis und Leistungsverzeichnis im Angebot der Beigeladenen sei zu bezweifeln, dass bereits alle Preise in der nötigen Eindeutigkeit im Angebot der Beigeladenen enthalten waren, so dass das Angebot auszuschließen sei. Schließlich verstoße die Wertungssystematik gegen das Vergaberecht, weil nicht alle im Ba...

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