Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehen der Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren; Einigungsgebühr bei Berufungsrücknahme mit abweichender Kostenfolge

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 1000, 3201; ZPO § 104 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Beschluss vom 01.07.2008; Aktenzeichen 10 O 432/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 10. Zivilkammer des LG Duisburg - Rechtspfleger - vom 1.7.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Beschwerdewert: 22.308,60 EUR.

 

Gründe

Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Festsetzung aller zweitinstanzlichen Verfahrensgebühren zugunsten der Beklagten ist zu Recht erfolgt.

1. Die Klägerin wendet sich ohne Erfolg gegen die Festsetzung der 1,1 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200, 3201 RVG-VV. Durch die anwaltliche Vertretung der Beklagten ist auch im Berufungsrechtszug vor dem erkennenden Senat eine Verfahrensgebühr angefallen. Das Entstehen der Verfahrensgebühr II. Instanz setzt voraus, dass in dieser Instanz ein Prozessrechtsverhältnis entstanden ist. Dies ist hier mit Einlegung der Berufung durch die Klägerin am 4.1.2008 und deren vom Senat veranlasste Zustellung am 14.1.2008 geschehen. Im Übrigen erhält der Anwalt die Gebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG-VV). Auch diese Voraussetzung liegt vor. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die Informationen seiner Mandantin zur Erledigung des Berufungsverfahrens entgegengenommen und mit dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin korrespondiert. Eine Bestellung beim Senat war nicht erforderlich.

2. Die 1,2 Terminsgebühr ist gem. Nr. 3202 RVG-VV für die Mitwirkung an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts entstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin lösen die außergerichtlichen Gespräche der anwaltlichen Vertreter, die die Klägerin in der Beschwerdeschrift zugestanden hat (§ 288 ZPO), diese Gebühr aus (so zutreffend BGH Beschl. v. 11.6.2008 - XII ZB 11/06; ferner BGH NJW-RR 2007, 787; 2007, 286).

3. Dasselbe gilt für die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV. Zutreffend ist der Rechtspfleger davon ausgegangen, dass die Einigungsgebühr entstanden ist. Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (BGH NJW 2007, 2187 [2188]). Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV soll die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Während die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzte, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits zu beschreiten. Durch den Wegfall der bis dahin geltenden Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens wird insbesondere der in der Vergangenheit häufig ausgetragene Streit darüber vermieden, welche Abrede noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu bewerten ist (BT-Drucks. 15/1971, 147, 204). Unter der Geltung des RVG kommt es deswegen nicht mehr auf einen Vergleich i.S.v. § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an (vgl. BGH, a.a.O.; ferner BGHReport 2007, 183 f.; Hartmann, Kostengesetze 37. Aufl. Nr. 1000 RVG-VV Rz. 5 und 10; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 18. Aufl. Nr. 1000 RVG-VV Rz. 55; Madert/Müller-Raabe, NJW 2006, 1927 [1929 f.]). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden; zudem soll die Belastung der Gerichte gemindert werden (BGH BGHReport, a.a.O., m.w.N.). Die Einigungsgebühr entsteht demnach nur dann nicht, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat (BGH, a.a.O., Tz. 6; Goebel/Gottwald/v. Seltmann, RVG Nr. 1000 VV Rz. 3; Gerold/Schmidt/von Eicken/Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 49). So liegen die Dinge hier aber nicht. Denn die Parteien haben eine Vereinbarung im Sinne von Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV geschlossen. Das Angebot des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Schreiben vom 8.2.2008 zur von der gesetzlichen Regelung abweichenden Verteilung der entstandenen Kosten bei Rücknahme der Berufung durch die Klägerin hat diese mit Schreiben vom 6.3.2008 angenommen und mit der Rücknahme des Rechtsmittels bestä...

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