Leitsatz (amtlich)

1. In Verfahren zur Anpassung von Unterhaltstiteln nach §§ 2 UnterhaltstitelanpassungsG, 655 ZPO steht gegen eine vom Antrag abweichende Kindergeldanrechnung nach § 1612b BGB auch dem Antragsteller die sofortige Beschwerde nach § 655 Abs. 5 ZPO offen.

2. Zur Beschwer in solchen Fällen.

3. Bei Festsetzung von 100 % des Regelbetrags ist die variable („dynamisierte”) Kindergeldanrechnung zulässig mit folgender Formel: „Auf den Unterhalt ist das jeweilige hälftige Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrags übersteigt”.

 

Normenkette

ZPO §§ 646, 652, 655; UnterhaltstitelanpassungsG § 2; BGB §§ 1612a, 1612b

 

Verfahrensgang

AG Duisburg (Aktenzeichen 57 FH 28/00)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des AG Duisburg vom 23.5.2001 teilweise abgeändert.

Unter Abänderung der vollstreckbaren Urkunde des Jugendamts Esch. vom 29.4.1996 (UR-Nr. 47–96) wird der Unterhalt ab 1.1.2001 wie folgt neu festgesetzt:

Der vom Antragsgegner zu zahlende Unterhalt beträgt monatlich 100 % des Regelbetrags nach § 1 RegelbetragVO, und zwar

– vom 1.1.2001 bis 31.5.2002 nach der ersten Altersstufe,

– vom 1.6.2002 bis 31.5.2008 nach der zweiten Altersstufe und

– ab 1.6.2008 nach der dritten Altersstufe.

Auf den Unterhalt ist das jeweilige hälftige Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrags übersteigt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegenr auferlegt.

 

Gründe

I. Zugunsten des antragstellenden Kindes (geb. 7.6.1996) ist gegen seinen nichtehelichen Vater (Antragsgegner) durch vollstreckbare Jugendamts-Urkunde vom 29.4.1996 der Regelunterhalt abzgl. 100 DM hälftiges Kindergeld tituliert.

Der Antragsteller hat – vertreten durch das Jugendamt – wegen der Änderung der Kindergeldanrechnung gem. § 1612b Abs. 5 BGB zum 1.1.2001 die Anpassung der vollstreckbaren Jugendamts-Urkunde nach Art. 5 § 3 KindUG, § 2 Unterhaltstitelanpassungsgesetz beantragt. Die Kindergeldanrechnung soll sich nach dem Antrag in der Form vollziehen, dass „das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen ist, soweit dies zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages entspricht oder übersteigt”.

Das AG hat in dem angefochtenen Beschluss den Unterhalt neu festgesetzt, das anzurechnende Kindergeld aber abweichend vom Antrag betragsmäßig ausgewiesen, und zwar mit 10 DM ab 1.1.2001 und mit 0 DM ab 1.6.2002 (2. und 3. Altersstufe).

Mit der sofortigen Beschwerde begehrt der Antragsteller die Festsetzung entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

1. a) Gegen die vom Antrag abweichende Festsetzung gem. §§ 2 UnterhaltstitelanpassungsG, 655 ZPO ist unter den auf den Antragsteller sinngemäß anzuwendenden Voraussetzungen des § 655 Abs. 5 S. 2 ZPO (vgl. § 652 Abs. 2 ZPO) ein Rechtsmittel gegeben. § 655 Abs. 5 S. 1 ZPO eröffnet wie § 652 ZPO die sofortige Beschwerde ohne Rücksicht auf die Parteistellung. Sie steht also grundsätzlich auch dem Antragsteller offen.

Das Rechtsmittel ist nicht gem. §§ 655 Abs. 6, 646 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Denn § 646 Abs. 2 ZPO betrifft – für das erstmalige Festsetzungsverfahren – nur den Fall der Anfechtung der einen Antrag wegen des Fehlens von Voraussetzungen nach §§ 645, 646 Abs. 1 ZPO als unzulässig behandelnden Entscheidung (so zutreffend und mit eingehender Begründung OLG Zweibrücken FuR 2001, 519 m.w.N.; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 652 Rz. 4 unter Aufgabe der in der Vorauflage, § 652 Rz. 3 vertretenen Ansicht). Entsprechendes muss auch im Verfahren nach § 655 ZPO gelten, für das § 646 Abs. 2 nach § 655 Abs. 4 ZPO ebenfalls Anwendung findet.

Um eine Zurückweisung des Antrags als unzulässig geht es aber im vorliegenden Fall nicht. Denn hier ist dem Antrag wegen (von der zuständigen Rechtspflegerin erst nach der Entscheidung mitgeteilten) Bedenken gegen die Vollstreckbarkeit des Titels bei nicht betragsmäßig ausgewiesenem Kindergeldabzug nicht vollständig entsprochen worden. Bei sinngemäßer Anwendung der in § 655 Abs. 5 S. 2 ZPO genannten Voraussetzungen ist die sofortige Beschwerde (entsprechend der Rechtslage im erstmaligen Festsetzungsverfahren nach § 652 ZPO; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 655 Rz. 22) zulässig, zumal es sich um eine in § 655 Abs. 3 ZPO aufgeführte „Einwendung” handelt, namentlich eine Beanstandung betreffend die Anrechnung von Leistungen nach § 1612b BGB.

b) Dem Rechtsmittel mangelt es auch nicht an der erforderlichen Beschwer. Zwar kann die Festsetzung des anzurechnenden Kindergelds auf 0 DM (im angefochtenen Beschluss ab 1.6.2002) den Antragsteller nicht beschweren, da sie für ihn nicht nachteilhaft ist. Die Möglichkeit, später mit Abänderungsanträgen nach § 655 ZPO überzogen zu werden, begründet noch keine Beschwer. Verfahrenskosten kann der Unterhaltsberechtigte abwenden, indem er sich außergerichtlich mit einer (bei Jugendamtsurkunden kos...

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