Leitsatz (amtlich)

Beim ohne rechtliches Gehör des Schuldners ergangenen unverzüglich vollstreckbaren Zahlungsbefehl (decreto ingiuntivo immediatamente esecutivo) eines italienischen Gerichts fehlt es an einem verfahrenseinleitenden Schriftstück mit der Folge, dass Art. 34 Nr. 2 EuGVVO der Vollstreckbarerklärung entgegensteht.

 

Normenkette

EuGVVO Art. 34 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Beschluss vom 02.06.2006; Aktenzeichen 13 O 164/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Vorsitzenden der 13. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 2.6.2006 - 3 O 164/06 - geändert.

Der Antrag, das decreto ingiuntivo immediatamente esecutivo (unverzüglich vollstreckbarer Zahlungsbefehl) des Tribunale di Milano Decreto N. 8404, Ruolo N. 5953 vom 28.2.2006 für vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

 

Gründe

I. Auf Ersuchen der Antragstellerin wurde die Antragsgegnerin ohne vorherige Anhörung durch unverzüglich vollstreckbaren Zahlungsbefehl - decreto ingiuntivo immediatamente esecutivo - Nr. 8404, Ruolo N 5953 des Mailänder Gerichts, Abteilung für Warenzeichen und Patente, vom 28.2.2006 verpflichtet, an die Antragstellerin unverzüglich 74.884,58 EUR an Lizenzgebühren für das dritte Quartal 2005 nebst Zinsen i.H.v. monatlich 0,5 % gemäß Dekret 132/2002 sowie 2018 EUR Kosten zu zahlen.

Das Gericht genehmigte die vorläufige/unverzügliche Vollstreckung des Zahlungsbefehls gem. Art. 642 Abs. 2 c.p.c., weil die Antragsgegnerin schon die Lizenzgebühren für das zweite Quartal 2005 i.H.v. 53.808,32 EUR trotz Erlass eines Zahlungsbefehles nicht gezahlt hatte. Die Antragsgegnerin legte innerhalb der gerichtlich bestimmten Frist von 40 Tagen Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Zahlungsbefehl vom 28.2.2006 gem. Art. 38 EuGVVO für vollstreckbar zu erklären.

Die Vorsitzende der 13. Zivilkammer des LG Düsseldorf hat durch Beschluss vom 2.6.2006 angeordnet, den Zahlungsbefehl für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.

Gegen diesen der Antragsgegnerin am 21.6.2006 zugestellten Beschluss wendet sie sich mit ihrer am 12.7.2006 eingegangenen Beschwerde, mit der sie die Abänderung des Beschlusses vom 2.6.2006 und die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin beantragt.

Zur Begründung trägt sie vor, der Zahlungsbefehl sei ein in einem einseitigen Verfahren ergangener Beschluss und dürfe deshalb nicht für vollstreckbar erklärt werden. Der Beschluss sei ergangen, ohne dass ihr das das Verfahren einleitende Schriftstück zugestellt oder auf sonstige Weise die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs gewährt worden wäre. Sie habe erst nach Erlass des Beschlusses und dessen Zustellung von der Existenz des Verfahrens in Italien Kenntnis erlangt.

II. Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des LG eingegangene Beschwerde ist zulässig, §§ 1 Abs. 2b, 11 AVAG, Art. 43 EuGVVO. Sie hat in der Sache Erfolg. Das LG hat den unverzüglich vollstreckbaren Zahlungsbefehl des mailändischen Gerichtes zu Unrecht für vollstreckbar erklärt.

Grundlage der Prüfung ist neben dem Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG) das Kapitel III Art. 32 ff. (Anerkennung und Vollstreckung) der am 1.3.2002 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), die gemäß ihrem Art. 76 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft - mit Ausnahme Dänemarks - in Kraft getreten ist.

Die vorgeschriebenen Förmlichkeiten sind erfüllt.

Gemäß Art. 38, 41 EuGVVO werden die in einem Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Nach Art. 53 EuGVVO hat die Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung geltend macht oder eine Vollstreckbarerklärung beantragt, eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie hat ferner grundsätzlich eine Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO vorzulegen.

Das LG hätte den unverzüglich vollstreckbaren Zahlungsbefehl des mailändischen Gerichtes nicht für vollstreckbar erklären dürfen, weil dem Art. 45 i.V.m. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO entgegenstehen.

Nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück ... nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingele...

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