Verfahrensgang

AG Wuppertal (Entscheidung vom 27.11.2019; Aktenzeichen 2 Ss-OWi 101/20)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 27. November 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Wuppertal zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen "fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens" eine Geldbuße in Höhe von EUR 280,00 festgesetzt und - unter Bewilligung der Viermonatsfrist des § 25 Abs. 2a StVG - ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde.

I.

Die Rechtsbeschwerde hat (vorläufig) Erfolg. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es den Mindestanforderungen an die Begründung einer Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes nicht genügt.

In den Gründen des angefochtenen Urteils ist hinsichtlich der getroffenen Feststellungen sowie der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung Folgendes ausgeführt (Rechtschreibung und Zeichensetzung im nachfolgenden Text entsprechen dem Original):

"II.

Am 23.05.2019 fuhr [sic!] der Betroffene in Wuppertal mit seinem PkW [sic!] der Marke Ford mit dem amtlichen Kennzeichen die Kreuzung Parlamentstraße. An der dortigen Fußgängerampel befand sich der Zeuge N. Der Betroffene befuhr die Ampel über Rot. Die Ampel war länger als eine Sekunde rot. Dies stellte der Zeuge POK B. fest, da er eine gezielte Verkehrsüberwachung durchführte.

Er stellte fest, dass alle anderen Fahrzeuge standen und es bereits so lange rot war, dass er nicht mehr ansatzweise damit rechnete, dass noch jemand in niedriger Geschwindigkeit die Kreuzung überfuhr. Der Zeuge B. sprach den Betroffenen auf den Verkehrsverstoß an. Vor Ort teilte dieser mit, es wäre gelb gewesen, dies könne sein Beifahrer bekunden. Auf dem Beifahrersitz saß lediglich ein Pitbull. Der Zeuge sprach sodann den Zeugen N. an. Der Zeuge N. teilte ihm unmittelbar vor Ort mit, die Fußgängerampel sei bereits grün gewesen. Er habe diese überqueren wollen.

III.

Der Betroffene hat sich damit eines qualifizierten Rotlichtverstoßes schuldig gemacht. Dass die Ampel rot war, konnte der Zeuge B. sicher bekunden. Dass es sich um einen Rotlichtverstoß länger als eine Sekunde handelte, konnte der Zeuge B. auch insofern bekunden, als dass er zwar nicht unmittelbar im Bereich des Verstoßes Einblick auf die Haltelinie hatte. Er hatte aber einen Blick auf die durchgezogene Haltelinie im vorderen Bereich der haltenden Pkw. Daneben hatte damals der Zeuge N. bereits vor Ort mitgeteilt, er sei sich sicher, dass die Fußgängerampel im Querverkehr grün zeigte. Soweit er sich daran heute nicht mehr genau erinnert ist dies unschädlich. Er hatte keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Bekundung gegenüber dem Beamten B. ZeugeB. konnte ebenfalls sicher erinnern, dass die Ampelanlage keinen Defekt zeigte. Gerichtskundig ist dass innerorts eine Gelbzeit von Sekunden herrscht [sic!]. Daher ist erwiesen, dass bei Grünlicht zeigender Lichtzeichenanlage für Fussgänger die Lichtzeichenanlage für den Betroffenen länger als 1 Sekunden [sic!] rot zeigte."

II.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils und die ihnen zugrundeliegende Beweiswürdigung sind unzureichend. Sie tragen schon den Schuldspruch wegen eines - auch nur einfachen - Rotlichtverstoßes nicht.

1. Zwar sind in Bußgeldsachen an die schriftlichen Urteilsgründe keine zu hohen Anforderungen zu stellen (BGHSt 39, 291). Gleichwohl gilt für sie gemäß § 71 OWiG die Vorschrift des § 267 StPO sinngemäß und damit für ihren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren. Auch die Gründe eines Bußgeldurteils müssen so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Juni 2015 - 1 Ss 325/15 -,≪juris≫; OLG Bamberg, Beschluss vom 2. April 2015 - 2 Ss OWi 251/15 -,≪juris≫; Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 71 Rn. 42; Senge in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., § 71 Rn. 106). Unerlässlich ist daher die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der ordnungswidrigen Handlung gefunden werden, und zwar hinsichtlich des Sachverhalts sowie des Orts und der Zeit; dies bedeutet bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit eine hinreichende Wiedergabe der Örtlichkeit, der Verkehrsregelung und der besonderen Verkehrssituation (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 1989 - 5 Ss (OWi) 298/89 - (OWi) 126/89 I -,≪juris≫; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - 1 Ss 148/05 -,≪juris≫; Seitz/Bauer, a.a.O., § 71 Rn. 42a m.w.N.; Senge, a.a.O.). Feststellungen, die nur die Worte des Gesetzes wiederholen oder mit allgemeinen Redewendungen umschreiben, reichen nicht aus. Die den Tatsachenfeststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ...

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