Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein automatischer Ausschluss von Unterpreisangeboten

 

Verfahrensgang

BKartA (Aktenzeichen VK 3-50/11)

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin, das durch die Übermittlung ihres Nachprüfungsantrages (VK 3-50/11 Bundeskartellamt) eingetretene Verbot des Zuschlags wieder herzustellen, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerinnen trägt die Antragstellerin.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin zu 1. schrieb durch Bekanntmachung vom Oktober 2010 im eigenen Namen sowie im Namen der übrigen Antragsgegnerinnen den Abschluss von Rabattvereinbarungen nach § 130a Abs. 8 SGB V im offenen Verfahren aus. Betroffen waren rund 80 Wirkstoffe und sieben Gebietslose im Zeitraum vom 1.6.2011 bis zum 31.5.2013. Die Antragstellerin wandte sich mit einem Nachprüfungsantrag gegen das Vergabeverfahren. Durch Beschluss vom 1.2.2011 (VK 3-126/10) gab die zuständige Vergabekammer des Bundes den Antragsgegnerinnen auf, das Vergabeverfahren teilweise zu wiederholen. Die Vergabekammer bemängelte u.a. Transparenzdefizite bei der Ausschreibung, worauf die Antragsgegnerinnen die Bewerbungsbedingungen änderten und Bietern eine neue, am 10.3.2011 ablaufende Angebotsabgabefrist eröffneten. Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Angebot, rügte am 21.3.2011 sowie mit einem weiteren Nachprüfungsantrag jedoch Lücken bei der preislichen Prüfung der Angebote, welche im Effekt dazu führten, dass die Antragsgegnerinnen vergaberechtswidrig auf eine Preisangemessenheits- oder Auskömmlichkeits-prüfung verzichteten. Die Antragsgegnerinnen sind dem Nachprüfungsantrag entgegengetreten und haben einen Antrag auf Gestattung der Zuschläge nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB gestellt. Durch Beschluss vom 26.4.2011 (VK 3-50/11) hat die Vergabekammer den Antragsgegnerinnen die Erteilung der Zuschläge antrags gem. gestattet. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen. Dagegen beantragt die Antragstellerin, das Zuschlagsverbot wiederherzustellen (§ 115 Abs. 2 Satz 5 GWB).

II. Der Eilantrag der Antragstellerin hat keinen Erfolg, weil ihr Nachprüfungsantrag wahrscheinlich unbegründet ist.

Bei der Wiederherstellung des Zuschlagsverbots durch das Beschwerdegericht nach § 115 Abs. 2 Satz 5 GWB sind die gleichen Entscheidungskriterien anzuwenden wie bei der Gestattung des Zuschlags durch die Vergabekammer nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB (ebenso Jaeger in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 118 GWB, Rn. 1175). Auch die Entscheidung über die Wiederherstellung des Zuschlagsverbots hat folglich unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens danach zu ergehen, ob die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Eine wichtige Orientierungshilfe, auch wenn sie nicht in jedem Fall den Ausschlag geben müssen, stellen dabei die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags dar. Ist der Nachprüfungsantrag bei der in Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, und ist - wie hier - die Eilbedürftigkeit der Zuschlagserteilung glaubhaft gemacht worden (vgl. § 121 Abs. 2 Satz 2, § 115 Abs. 2 Satz 7 GWB), ist eine Zuschlagserteilung in der Regel statthaft und von einer Wiederherstellung des Zuschlagsverbots abzusehen (ständige Rspr. des Senats sowie auch Jaeger a.a.O., § 118 GWB, Rn. 1169, 1175). So liegt der Fall hier.

1. Die Antragstellerin ist durch die als verletzt behauptete Vorschrift über die Preisprüfung in § 19 Abs. 6 Satz 2 VOL/A-EG nicht in ihren Bieterrechten geschützt. Die Bestimmung des § 19 Abs. 6 Satz 2 VOL/A-EG, wonach auf Angebote, deren (End-)Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, mithin insbes. auf unangemessen niedrige Preisangebote, der Zuschlag nicht erteilt werden darf, hat nur einen eingeschränkt bieterschützenden Charakter. Einen Bieterschutz im Rechtssinn entfaltet die Bestimmung nur, wenn das an den Auftraggeber gerichtete selbstverständliche Gebot, wettbewerbswidrige Praktiken im Vergabeverfahren zu verhindern (vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 1 VOL/A-EG: Vergabe "im Wettbewerb"), den Ausschluss des insbes. als unangemessen niedrig gerügten Angebots gebietet. Dem unterfallen Angebote mit unangemessen niedrigem Preis, die in der zielgerichteten Absicht der Marktverdrängung abgegeben worden sind oder die zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz (und nicht nur von einer einzelnen Auftragsvergabe) verdrängt werden. Genauso gehören dazu Angebote, bei denen die (niedrige) Preisgestaltung den Auftragnehmer voraussichtlich in so erhebliche Schwierigkeiten bringen wird, dass er den Auftrag nicht zu Ende ausführen kann, sondern die Ausführung abbrechen muss. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung liegt in diesen Fällen darin, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Wettbewerber...

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