Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergabe von Arzneimittelrabattvereinbarungen nach § 130a Abs. 8 SGB V

 

Tenor

1. Den Antragsgegnerinnen zu 1 und 2) wird untersagt, im vorliegenden Vergabeverfahren Zuschläge auf … zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ist das Vergabeverfahren zurückzuversetzen in den Zeitpunkt vor Angebotsabgabe. Den Bietern ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer Gelegenheit zur erneuten Angebotsabgabe zu geben. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2) tragen die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu 95 %. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 5 %.

3. Die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2) tragen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu 95 %. Die Antragstellerin trägt die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerinnen zu 1 und 2) zu 5 %. Die Beigeladenen zu 1 bis 13) tragen die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen selbst.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin sowie durch die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2) war notwendig.

 

Tatbestand

I.

1. Die Antragsgegnerinnen (Ag) führen ein Vergabeverfahren zum Abschluss von Rabattverträgen nach § 130 a Abs. 8 SGB V

a. Soweit sie für das vorliegende Vergabeverfahren von Bedeutung sind, lassen sich die Vorgaben der Vergabeunterlagen wie folgt zusammenfassen:

  • • Jeder Wirkstoff stellt ein eigenes Fachlos dar. Die Fachlose werden in insgesamt sieben Gebietslose aufgeteilt. Anzubieten war ein Preis pro Gramm Wirkstoff. Zuschlagskriterium ist die „Wirtschaftlichkeit des Rabatt-ApU” (ApU: Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers), S. 30 der Bewerbungsbedingungen. Dabei war die jeweilige Fachloskategorie, also der Wirkstoff, für die Angebotserstellung unterteilt in sog. „Preisvergleichsgruppen” (im Folgenden: PVG), die – vgl. S. 7 der Bewerbungsbedingungen – nach folgenden Kriterien gebildet wurden:

    „Innerhalb der Fachlose werden die Preisvergleichsgruppen hinsichtlich

    • ○ Wirkstärke (…),
    • ○ Darreichungsform (…),
    • ○ Packungsgröße (N1, N2 und N 3 i.S. des § 1 PackungsV i.d.F. des AMNOG-Entwurfs, BT-Drs. 17/2413 vom 6. Juli 2010 sowie Änderungsantrag 19 der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss-Drs. 17 (14) 0067 vom 20. September 2010 für einen neuen Art. 9a AMNOG)

    streng nach den Substitutionskriterien des § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V i.d.F. des vorliegenden AMNOG-Entwurfs (Art. 1 Nr. 15 lit. a aa)) gebildet, die für Rabattarzneimittel vorgesehen sind; das AMNOG soll zum 1. Januar 2011 in Kraft treten.”

Es gab also für jedes Fachlos mehrere Untergruppen für die verschiedenen Wirkstärken, Darreichungsformen und Normpackungsgrößen (im Folgenden: N-Größen) sowie sieben Gebietslose für jedes Fachlos. Innerhalb jeder PVG haben die Ag fünf Staffelpreiskategorien für eine nach unterschiedlichen Umsetzungsquoten des Rabattvertrags (= Anteil rabattierter Arzneimittel an den zu Lasten der Ag abgegebenen Arzneimitteln während der Vertragslaufzeit) differenzierte Preisabgabe gebildet, also der Sache nach bezogen auf die Menge des jeweiligen Wirkstoffs, die am Ende der Laufzeit aus dem Rabattvertrag abgenommen wird. Die Einteilung der Rabattstaffel erfolgt in 20 %-Schritten bezogen auf die Umsetzungsquote (S. 31 der Bewerbungsbedingungen). Was die Umsetzungsquote anbelangt, so war in der Bekanntmachung (Ziffer II.2.1) mitgeteilt worden, dass die Ag mit einer Umsetzungsquote von 70 % rechneten; in den Bewerbungsbedingungen (S. 11 f.) wiesen die Ag ergänzend darauf hin, dass die Daten aus der Vergangenheit, die in Anlage 3 ausführlich dargelegt wurden, aufgrund der geplanten Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) keinen zwingenden Schluss auf die zukünftigen Abgabevolumina und Umsetzungsquoten zuließen. Bei den im Zusammenhang mit den zu erwartenden Umsetzungsquoten arzneimittelrechtlicher Rabattverträge relevanten Vorgaben des AMNOG, das zwischenzeitlich zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist und das SGB V geändert hat, handelt es sich um folgende Regelungen:

  • • Änderung der Substitutionsvorgaben in § 129 Abs. 1 SGB V in zweierlei Hinsicht:

    • ▪ Substitution innerhalb der N-Größen auch bei divergierender Stückzahl zwischen der verordneten Packung und der Packung des Rabattvertragsprodukts,
    • ▪ Substitution bereits dann, wenn ein Indikationsbereich übereinstimmt, nicht – wie nach alter Rechtslage – erst dann, wenn der gesamte Indikationsbereich übereinstimmt.
  • • Erstmalige Einführung der Möglichkeit für die Versicherten, gegen Zuzahlung ein anderes als das Rabattvertragsprodukt beziehen zu können.

Die bei den verschiedenen Umsetzungsquoten in der Rabattstaffel anzubietenden Preise wurden bei der Bewertung einer Gewichtung unterzogen, und zwar in aufsteigender Reihe...

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