Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationale Zuständigkeit des FamG in Umgangsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit eines FamG durch deren ausdrückliche Anerkennung genügt es, wenn diese Anerkennung des angerufenen Gerichts durch alle Beteiligten vor dessen Entscheidung in der Sache erfolgt. Die Anerkennung muss dagegen noch nicht bei Verfahrenseröffnung vorliegen.

2. Wenn zwischen den Sorgeberechtigten Einvernehmen über die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts besteht, steht insbesondere in Umgangsverfahren das Kindeswohl der Begründung der Zuständigkeit im Regelfall nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 1684; VO (EG) 2201/2003 (Brüssel IIa) Art. 8 Abs. 1; VO (EG) 2201/2003 (Brüssel IIa) Art. 12 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Beschluss vom 01.09.2009)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Kleve vom 1.9.2009 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG - Familiengericht - Kleve zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen wird.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 16 Abs. 1 KostO).

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist die Mutter des am 10.7.2004 geborenen Kindes A. Beide sind deutsche Staatsangehörige. Das Kind lebt seit einer Inobhutnahme durch das Jugendamt am 15.9.2005 in einer Pflegefamilie in N. Durch Beschluss des AG Kleve vom 20.7.2006 wurde der Antragstellerin die elterliche Sorge für das Kind entzogen und dem Jugendamt der Stadt G. als Vormund übertragen.

Die Antragstellerin beantragt, ihr Umgangsrecht mit dem Kind zu regeln.

Das AG hat den Antrag der Antragstellerin durch Beschluss vom 1.9.2009 zurückgewiesen. Das Gericht sei nach Art. 8 VO (EG) Nr. 2201/2003 international nicht zuständig, weil das betroffene Kind in den Niederlanden lebe. Eine Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 12 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2201/2003 sei nicht möglich gewesen. Gegenstand des Verfahrens sei die Reglung des Umgangs, nicht aber eine Frage der elterlichen Verantwortung. Die Beteiligten hätten die Zuständigkeit des AG Kleve auch nicht hinreichend deutlich anerkannt. Die Zuständigkeitsvereinbarung sei außerdem mit dem Kindeswohl nicht in Einklang zu bringen, weil das Kind der deutschen Sprache nicht mächtig sei.

II. Die nach § 621e Abs. 1 ZPO statthafte Beschwerde hat insoweit Erfolg, als die amtsgerichtliche Entscheidung aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen ist.

Die Entscheidung des AG kann keinen Bestand haben, weil sie an einem erheblichen Verfahrensfehler leidet. Das AG hat zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit verneint und von einer Entscheidung in der Sache abgesehen.

Das AG Kleve ist für die Regelung des Umgangs international zuständig. Maßgebend für die internationale Zuständigkeit ist im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den Niederlanden die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. Nach Art. 8 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 sind für Verfahren, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Art. 12 Abs. 3 VO (EG) 2201/2003 kann die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats aber durch ausdrückliche Anerkennung begründet werden.

Von dieser Möglichkeit haben die Beteiligten wirksam Gebrauch gemacht:

Entgegen der Auffassung des AG gilt Art. 12 Abs. 3 VO (EG) 2201/2003 auch für Verfahren zur Regelung des Umgangs. Der Begriff elterliche Verantwortung umfasst nach Art. 2 Nr. 7 VO (EG) 2201/2003 auch und insbesondere das Umgangsrecht.

Eine wesentliche Bindung des Kindes zur Bundesrepublik Deutschland besteht schon deshalb, weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit hat.

Die Beteiligten haben die Zuständigkeit des AG Kleve ausdrücklich anerkannt, die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 12.6.2009, das Jugendamt der Stadt G. mit Schreiben vom 15.7.2009. Die Anerkennung der Zuständigkeit muss entgegen dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 3 VO (EG) 2201/2003 nicht bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens erklärt werden. Vielmehr genügt es, wenn alle Beteiligten die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vor dessen Entscheidung anerkennen (Zöller/Geimer, 28. Aufl., Anh. II EG-VO Ehesachen, Verfahren betr. elterl. Verantwortung, Art. 12 Rz. 12).

Die Zuständigkeit des AG Kleve steht auch mit dem Wohl des Kindes im Einklang. Wenn zwischen den Eltern bzw. Sorgeberechtigten Einvernehmen über die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts besteht, steht die Kindeswohlklausel der Begründung der Zuständigkeit im Regelfall nicht entgegen (Zöller/Geimer, 28. Aufl., Anh. II EG-VO Ehesa...

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