Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Entscheidung vom 13.12.2016)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 2016 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs sowie des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr schuldig ist.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilten. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil die Tagessatzhöhe auf 30 Euro reduziert, die Sperrfrist auf sechs Monate verkürzt und das Rechtsmittel im Übrigen verworfen.

Die Revision des Angeklagten führt zur Berichtigung des Schuldspruchs in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalstaatsanwalts vom 5. April 2017 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Zum Tathergang und zu dessen Würdigung ist im angefochtenen Urteil Folgendes ausgeführt:

1. Am 9. Juni 2015 befuhr der nicht vorbestrafte Angeklagte, nachdem er zuvor erhebliche Menge Alkohol konsumiert hatte, gegen 1:26 Uhr mit seinem Pkw unter anderem die J.-straße in D.. Dort kam er in einer Linkskurve von der Fahrbahn ab und kollidierte mit zwei am rechten Fahrbahnrand geparkten Pkw. Anschließend setzte der Angeklagte die Fahrt fort, fuhr in die unmittelbar anschließende F.-straße und stellte das Fahrzeug dort ab. Eine ihm um 2:25 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,21 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X.

2. Aufgrund dieser Feststellungen ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte hinsichtlich seiner Fahruntüchtigkeit jedenfalls mit Eventualvorsatz gehandelt habe. Die Höhe der Blutalkoholkonzentration sei ein gewichtiges Beweisanzeichen für vorsätzliches Handeln. Anhaltspunkte, die dagegen sprächen, dass der Angeklagte seine Fahruntüchtigkeit trotz des hohen Maßes seiner Alkoholisierung erkannt habe, seien nicht zu erkennen. Vielmehr erweise sich das nach der Kollision an den Tag gelegte Verhalten des Angeklagten (Flucht vom Unfallort) vor dem Hintergrund seiner Interessenlage als situationsadäquat. Dem entnehme die Kammer, dass der Angeklagte von Anfang an fähig gewesen sei, das Maß seiner Alkoholisierung und deren Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit zutreffend einzuschätzen.

II.

Die tatrichterliche Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung bei der Trunkenheitsfahrt nach dem - durch gravierendes und typischerweise alkoholbedingtes Fahrversagen verursachten - Unfall begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Soweit die Kammer allerdings davon ausgeht, dass der Angeklagte seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bereits bei der Unfallverursachung billigend in Kauf genommen und daher auch den Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB) vorsätzlich verwirklicht habe, weist die Beweiswürdigung Lücken auf.

1. Nach der nahezu einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte kann allein aus einer hohen Blutalkoholkonzentration des Täters zur Tatzeit nicht auf einen Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit geschlossen werden (Senat in ständ. Rspr., vgl. BA 47 [2010], 428 sowie Beschluss vom 21. Oktober 2016, III-1 RVs 93/16 ≪[...]≫ m. w. N.; OLG Hamm VRS 107 [2004], 433, 440 und NZV 2005, 161; OLG Stuttgart NStZ-RR 2011, 187; OLG Köln DAR 1999, 88; OLG Naumburg DAR 1999, 420; KG VRS 126 [2014], 95; OLG Brandenburg BA 50 [2013], 138; OLG Karlsruhe NZV 1999, 301; aA wohl OLG Koblenz NZV 2008, 304; OLG Celle NZV 2014, 283; AG Rheine NJW 1995, 894). Denn einen naturwissenschaftlich oder medizinisch gesicherten Erfahrungssatz, dass derjenige, der eine Alkoholmenge trinkt, die zu einer die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit übersteigenden Blutalkoholkonzentration führt, seine Fahruntüchtigkeit auch erkennt, gibt es nicht (BGHSt 60, 227, 230).

2. Die Erwägungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 9. April 2015 (BGHSt 60, 227, 229 ff.) geben dem Senat keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Diese Entscheidung, die in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung zahlreicher Oberlandesgerichte und der im Schrifttum seit langem geführten Diskussion (vgl. etwa Tolksdorf, 33. Verkehrsgerichtstag 1995, S. 79 ff.; Nehm, FS Salger 1995, S. 115 ff.; Ernemann in: SSW-StGB, 3. Aufl. 2016, § 316 Rn. 33 f., jeweils m.w.N.; Empfehlungen des 33. Verkehrsgerichtstages 1995, Arbeitskreis II, Nr. 1) ergangen ist, wird ganz überwiegend nicht im Sinne einer grundsätzlichen Abkehr von der bislang herrschenden Entscheidungspraxis verstanden (vgl...

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