Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines anwaltlichen Zeithonorars, welches um das Sechsfache im Vergleich zur gesetzlichen Vergütung erhöht ist, ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt, ob dies auf der Höhe des Stundensatzes oder auf den angefallenen Tätigkeitsstunden beruht. Ist diese Überhöhung auf den hohen Zeitaufwand zurückzuführen, spricht dies gegen eine Sittenwidrigkeit, sofern keine Anhaltspunkte für ein unangemessenes Aufblähen der Arbeitszeit vorliegen.

2. Ein anwaltlicher Stundensatz iHv EUR 250,- ist nicht zu beanstanden.

3. Bestreitet der Mandant pauschal den Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts, dann ist dies bei Vorgängen unerheblich, die der Mandant selbst miterlebt hat (z.B. Telefonate, Gespräche) oder durch die er anhand objektiver Unterlagen (z.B. Beweisaufnahmeprotokolle) Kenntnis erlangt hat.

4. Ein Gericht ist aus eigener Sachkunde in der Lage, den Zeitaufwand anwaltlicher Tätigkeit zu schätzen (§ 287 ZPO), denn auch ein Richter leistet vergleichbare Arbeit, indem er Informationen rechtlicher Art verarbeitet, Recherchen durchführt und Dokumente erstellt.

5. Bei Beurteilung des Eintritts einer Verjährung ist bei Verfahrenseinleitung durch einen Mahnbescheid wegen der analogen Anwendung des § 691 Abs. 2 ZPO die 14-Tage-Regelung des § 167 ZPO als nicht maßgebend zu erachten (Anschluss an BGH, Urteil vom 27. April 2006 - I-ZR 237/03 und OLG Frankfurt, Urteil vom 27. Oktober 2008 - 5 UF 63/08).

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Aktenzeichen 5 O 148/17)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. gegen das am 21. Februar 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1. und 2. in gesamtschuldnerischer Haftung.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten zu 1.und 2. wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1. und 2. ist offensichtlich unbegründet, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 19. November 2018. Dort hat der Senat im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

I. Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, führte im Jahr 2013 einen Prozess vor dem Landgericht Krefeld (Az. 12 O 90/12) gegen die S. GmbH. Für die Beklagte zu 1. waren bereits zuvor zwei weitere Rechtsanwaltskanzleien tätig gewesen, deren Beratung und Vertretung die Beklagten jedoch als unzureichend empfanden. Der Beklagte zu 2. nahm deshalb zu Beginn des Jahres 2013 Kontakt mit der Klägerin auf, für die die angestellte, türkischsprachige Rechtsanwältin K. (inzwischen aufgrund Eheschließung U.) tätig ist. Am 21. Januar 2013 erschien der Beklagte zu 2. mit einem Angestellten, Herrn E., bei der Klägerin. Die Besprechung fand in englischer Sprache statt, da der Beklagte zu 2. über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügte.

Am 20. Februar 2013 unterzeichnete der Beklagte zu 2. für die Beklagte zu 1. und für sich selbst eine Mandats- und Vergütungsvereinbarung, die auch für zukünftige Aufträge Anwendung finden sollte (Anl. K1, GA 37-39). Diese war sowohl in deutscher als auch in türkischer Sprache abgefasst. Unter III. "Ergänzende Vereinbarungen" in Nr. 4. übernahm der Beklagte zu 2. für die Honorarverbindlichkeiten der Beklagten zu 1. die gesamtschuldnerische Mithaftung. Als Adresse des Beklagten zu 2. war dort angegeben: ".. Straße 10, K.". Vereinbart wurde ein Stundensatz von EUR 350,00 für Partner der Klägerin und EUR 250,00 für anwaltliche Mitarbeiter. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die Vergütungsvereinbarung Bezug genommen.

Am 27. Februar 2013 übergab der Beklagte zu 2. der Klägerin einen USB Stick mit einer Vielzahl von Dokumenten und einem Datenvolumen von 787 MB. Er forderte diese auf, die Dokumente genauestens durchzulesen, damit sie sich einen Überblick über die Angelegenheiten der Beklagten zu 1. verschaffen könne.

Die Beklagte zu 1. beauftragte nachfolgend die Klägerin zudem mit einer Tätigkeit in dem Rechtsstreit gegen R. (Az. 7 O 76/12, Landgericht Krefeld, betreffend Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung). Dort waren bereits drei andere Anwaltskanzleien vorab tätig gewesen.

Unter dem 30. April 2013 erstellte die Klägerin zwei Rechnungen mit den Leistungszeiträumen vom 1. Januar bis 31. März 2013.

In der Angelegenheit gegen die S. GmbH berechnete sie für die Tätigkeit der Rechtsanwältin K. 54,18 Stunden à EUR 250,00, räumte aber auf den sich errechnenden Betrag von EUR 13.545,00 einen Nachlass von 33,33 % ein. Abzüglich eines von der Beklagten zu 1. geleisteten Vorschusses über EUR 1.700,00 ermittelt sie einen Rechnungsbetrag iHv EUR 9.272,50 (GA 44-45). Zu ihren entfalteten Tätigkeiten hat sie im Schriftsatz vom 22. September 2017 näher vor...

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