Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein später insolvent gewordenes Unternehmen (Versicherungsnehmer) zur Erfüllung einer Versorgungszusage einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Arbeitnehmers oder Organmitglieds als versicherte Person geschlossen und dem Versicherten ein unwiderrufliches Bezugsrecht auf die Versicherungsleistungen eingeräumt, gehört der Anspruch auf die Versicherungssumme zum vertraglich vorgesehenen Fälligkeitstermin oder auf den Rückkaufswert im Falle der Kündigung in der Insolvenz des Versicherungsnehmers nicht zur Masse und kann ausgesondert werden.

2. Will der unwiderruflich Bezugsberechtigte die Versicherung im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers selbst weiterführen, kann er gemäß § 170 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2 VVG innerhalb einer Frist von einem Monat ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in den Versicherungsvertrag eintreten. Die hierfür erforderliche Zustimmung muss vom Versicherungsnehmer selbst erklärt werden. Die Befugnis, die Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern, ist im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers nicht massezugehörig und geht nicht auf den Insolvenzverwalter über.

3. Ist der Versicherte unwiderruflich als bezugsberechtigt benannt, entsteht der Anspruch auf die Leistung des Versicherers mangels anderslautender Vereinbarung bereits mit Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts und ist in der Insolvenz des Versicherten grundsätzlich Teil der Insolvenzmasse. Hat der Versicherte eine unverfallbare Anwartschaft aus einer ausschließlich arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung erworben (§§ 1b Abs. 2, 2 Abs. 2 BetrAVG), ist jedoch der Rückkaufswert wegen der Verfügungsbeschränkung des § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG unpfändbar und insoweit nicht massezugehörig (§§ 36 Abs. 1 InsO, 851 Abs. 1 ZPO).

 

Normenkette

BetrAVG § 1b Abs. 2, § 2 Abs. 2; InsO §§ 35, 36 Abs. 1, § 47; VVG § 159 Abs. 3, § 170 Abs. 1 S. 1; ZPO § 851 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 3 O 14/17)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 12.11.2021 gegen den seine Prozesskostenhilfegesuche vom 13.12.2018, 17.06.2020, 15.07.2020 und 06.01.2021 zurückweisenden Beschluss der 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Düsseldorf vom 02.10.2021 (3 O 14/17) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 25.01.2022 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Kläger / Antragsteller (nachfolgend nur: Kläger) nimmt die Beklagten / Antragsgegner im Zusammenhang mit vier Versicherungen in Anspruch, die die H. GmbH (Insolvenzschuldnerin) - deren Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Kläger war und ist - aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 25.10.2012 für eine betriebliche (Alters-)Vorsorge zu seinen Gunsten übernommen hat. Der Beklagte zu 1) ist seit Ende August 2015 Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 23.01.2015 hin am 01.04.2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin.

Bei den streitgegenständlichen Versicherungen handelt es sich um zwei Lebensversicherungen mit Überschussbeteiligung/Direktversicherungen und zwei Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht bei der B. bzw. der G., die die seinerzeitige Arbeitgeberin des Klägers, die T. GmbH, in den Jahren 1991 bis 2006 als Versicherungsnehmerin für den Kläger als Bezugsberechtigten abgeschlossen hatte, wobei die Beiträge vollständig arbeitgeberfinanziert waren. Hinsichtlich sämtlicher Versicherungen ist das Bezugsrecht des Klägers bei Ablauf mittlerweile unwiderruflich. Der Kläger, der seit 1992 Geschäftsführer der T. GmbH und ab März 1995 zusätzlich zu 12,4 % am Gesellschaftskapital beteiligt war, hat bis zu seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis zum Ende des Jahres 2011 unverfallbare Anwartschaften aus den vier Direktversicherungen (§§ 1b Abs. 2, 2 Abs. 1 und 2 BetrAVG) erlangt. Ab 01.01.2012 wurden die Versicherungen auf den Kläger übertragen und beitragsfrei gestellt. Im Mai 2012 erwarb der Kläger sämtliche Geschäftsanteile an der Insolvenzschuldnerin und wurde zu deren Geschäftsführer bestellt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 25.10.2012 gewährte die Insolvenzschuldnerin dem Kläger eine Versorgungszusage über die streitgegenständlichen Versicherungen. Aufgrund entsprechender Vereinbarungen wurden die Versicherungen mit Wirkung ab dem 01.11.2012 (G.) sowie 01.12.2012 (Rentenvers. bei B.) bzw. 01.01.2013 (Lebensversicherungen bei B.) auf die Insolvenzschuldnerin als Versicherungsnehmerin übertragen, die auch die Beiträge übernahm. Zum 01.02.2015 wurden die Versicherungen bei der B. und zum 01.11.2015 die Rentenversicherung bei der G. beitragsfrei gestellt.

Unter dem 13.01.2016 stellte sich der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1) auf den Standpunkt, mit Blick auf die unwiderruflichen Bezugsrechte und die Unverfallbarkeit zugunsten seiner Person seien "die Verträge ... frei zu geben", und forderte den Beklagten zu 1) auf, ihm "die Dienstaustrittsmeldung bzw. Vereinbarung zur Übertragung der Versicherungsnehmerstellung für beide Versicherungsgesellschaften" zukommen z...

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