Tenor

  • 1.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 25.Januar 2013 aufgehoben.

  • 2.

    Der Betroffene wird freigesprochen.

  • 3.

    Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Neuss hat den Betroffenen wegen "verbotswidriger Nutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer" zu einer Geldbuße von 40EUR verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde, die der Einzelrichter mit Beschluss vom heutigen Tage auf Antrag des Betroffenen zugelassen hat, um die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Der Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Betroffene befand sich nach den getroffenen Feststellungen am 17.Juli 2012 als Fahrlehrer mit einem entsprechend ausgerüsteten PKW auf einer Ausbildungsfahrt. Der PKW wurde von einer fortgeschrittenen Fahrschülerin geführt, während der Betroffene auf dem Beifahrersitz saß. Der Betroffene telefonierte in dieser Situation gegen 08.45 Uhr mit einem Mobiltelefon, das er hierfür an sein Ohr hielt. Er musste zu dieser Zeit nicht aktiv in das Fahrgeschehen eingreifen.

2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §23 Abs.1a Satz1 StVO entgegen der Wertung des Amtsgerichts nicht, da der Betroffene kein Fahrzeug "führte", als er das Mobiltelefon benutzte.

a) Zwar gilt gemäß §2 Abs.15 Satz2 StVG bei Ausbildungsfahrten der Fahrlehrer "im Sinne dieses Gesetzes als Führer des Kraftfahrzeugs", wenn er den am Steuer sitzenden und noch nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befindlichen Fahrschüler begleitet. Diese gesetzliche Fiktion vermag jedoch eine Ahndung des Betroffenen nicht zu rechtfertigen. Soweit in Rechtsprechung und Lehre die Ansicht vertreten wird, dass die Norm eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung des die Fahrt nur begleitenden Fahrlehrers gemäß §23 Abs.1a Satz1 StVO begründe (so wohl OLG Bamberg, DAR2009, 402 mit [abl.] Anm. Heinrich und [zust.] Anm. Scheidler; Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22.Auflage [2012], §23 StVO Rdnr.22a; für eine volle straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung des Fahrlehrers aufgrund der gesetzlichen Fiktion OLG Karlsruhe VRS64, 153, 157 [obiter dictum]; Xanke, in: Lütkes, Straßenverkehr [Stand Dezember 2012], §2 StVG Rdnr.148), folgt der Senat dem nicht (ablehnend auch OLG Dresden NJW2006, 1013, 1014 zur Haftung des begleitenden Fahrlehrers nach §24a StVG; ebenso Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42.Auflage [2013], §2 StVG Rdnr.28, 91).

Dabei kann dahinstehen, ob schon der Wortlaut des §2 Abs.15 Satz2 StVG ("im Sinne dieses Gesetzes") den Geltungsbereich der Norm ausschließlich auf das Straßenverkehrsgesetz beschränkt und damit die - immerhin auf seiner Grundlage erlassene - Straßenverkehrs ordnung nicht erfasst. Denn jedenfalls nach dem Sinn und Zweck der Norm sowie aus systematischen Gründen reicht die in §2 Abs.15 Satz2 StVG vorgesehene Fiktionswirkung nicht in den Bereich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung hinein.

Nach ihrem Sinn und Zweck dient die Vorschrift dem Schutz des Fahrschülers, indem sie ihn vor einer Strafbarkeit gemäß §21 StVG bewahrt und an seiner Stelle den Fahrlehrer der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung nach §18 StVG unterwirft. Ohne die gesetzliche Fiktion des §2 Abs.15 Satz2 StVG würde der Fahrschüler, der während der Ausbildungsfahrt am Steuer sitzt, als Fahrzeugführer die Tatbestände der §§21, 18 StVG verwirklichen, was vom Gesetz nicht gewollt ist, denn er soll die erforderliche Fahrerlaubnis erst noch erwerben und dabei als Lernender - zu Lasten einer Verantwortlichkeit des ihn begleitenden Fahrlehrers - haftungsrechtlich privilegiert werden. Dass der Fiktion eine über diese Rechtsfolgen hinausgehende, weiterreichende Wirkung nicht zukommen soll, zeigt schon ihr auf das Straßenverkehrsrecht beschränkter Anwendungsbereich, der insbesondere die §§315c, 316 StGB unstreitig nicht erfasst (vgl.OLG Dresden NJW2006, 1013 f.; König, in: Hentschel/König/Dauer, aaO, §316 StGB Rdnr.5), obwohl diese Vorschriften tatbestandlich an das Führen eines Fahrzeuges anknüpfen. §2 Abs.15 Satz2 StVG verlagert die Verantwortlichkeit vom Fahrschüler auf den Fahrlehrer mithin lediglich partiell, ohne dass er jenseits seines "spezifischen Zusammenhangs mit dem Straßenverkehrsrecht" in eine "Vorschrift zur strafrechtlichen Mithaftung des Fahrlehrers" umgedeutet werden könnte (LK-König, StGB, 12.Auflage [2008], §315c Rdnr.42). Eine dahingehende Umdeutung kommt - schon aus systematischen Erwägungen - auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten nicht in Betracht. Andernfalls ergäben sich kaum zu rechtfertigende Wertungswidersprüche (Täterschaft des als Beifahrer angetrunkenen Fah...

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