Verfahrensgang

AG Oberhausen (Aktenzeichen 55 F 214/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert:

Dem Kläger wird in vollem Umfange Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Banse in 46045 Oberhausen bewilligt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Zu Recht wendet sich der Kläger dagegen, dass das AG auf den Volljährigenunterhalt, den der Beklagte schuldet, das volle Kindergeld angerechnet hat. Obwohl die Mutter, in dessen Haushalt der Kläger auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres lebt, nicht leistungsfähig ist, Volljährigenunterhalt zu zahlen, bleibt es bei der in § 1612b Abs. 1 und 2 vorgesehenen Halbteilung des Kindergeldes. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung der zuvor genannten Vorschriften (OLG Hamm FamRZ 2001, 1728; OLG Celle v. 2.5.2000 – 17 UF 236/99, OLGReport Celle 2000, 281 = FamRZ 2001, 47; OLG Brandenburg v. 21.1.2002 – 10 UF 109/01, FamRZ 2002, 1217; OLG Nürnberg v. 25.10.1999 – 10 UF 1425/99, OLGReport Nürnberg 2000, 63 = MDR 2000, 34; OLG Köln FamRZ 2003, 1408; OLG Celle v. 20.8.2002 – 21 WF 188/02, FamRZ 2003, 1408).

Die für die Analogiebildung erforderliche Regelungslücke ist gegeben.

Eine unmittelbare Anwendung der §§ 1612b Abs. 1 und 2 BGB scheitert an der Leistungsfähigkeit der Kindesmutter. Diese schuldet dem Volljährigen gem. § 1603 BGB keinen Unterhalt, so dass das Zusammenspiel der Kindergeldanrechnung gemäß den vorgenannten Regelungen, die eine beiderseitige Barunterhaltsverpflichtung voraussetzen, ausscheidet.

§ 1612b Abs. 3 BGB ist ebenfalls nicht einschlägig. Diese Vorschrift regelt die Anspruchs- und nicht die Bezugsberechtigung. Die Anspruchsberechtigung ist in §§ 63 i.V.m. 32 Abs. 1 EStG geregelt. Dort wird bestimmt, welche Kinder einen Anspruch auf Kindergeld vermitteln. Danach sind im vorliegenden Fall sowohl der Vater als auch die Mutter im Hinblick auf den Empfang des Kindergeldes anspruchsberechtigt.

Die Bezugsberechtigung ergibt sich aus § 64 EStG. Sie betrifft die Frage, wer bei einer Anspruchskonkurrenz mehrerer Anspruchsberechtigter die Auszahlung des Kindergeldes verlangen kann. Gemäß § 64 Abs. 2 S. 1 EStG gilt das Obhutsprinzip. Danach ist allein die Mutter des Klägers Kindergeld bezugsberechtigt, weil der Kläger in ihrem Haushalt lebt, obwohl sie nicht leistungsfähig ist.

Die für die analoge Anwendung weiterhin erforderliche gleichgelagerte Interessenlage ist ebenfalls gegeben. Der Normzweck der §§ 1612b Abs. 1 und 2 BGB gebietet die entsprechende Anwendung auf den vorliegenden Fall. Auch wenn der Elternteil, in dessen Haushalt das volljährige Kind lebt, gem. § 1603 BGB nicht leistungsfähig ist und deswegen keinen Barunterhalt schuldet, ändert dies nichts daran, dass er dem Kind Versorgungsleistungen erbringt und dessen Wohnbedarf deckt. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die der Zweckbestimmung des Kindergeldbezuges entsprechen. Das Obhutsprinzip nach § 64 Abs. 2 EStG differenziert nicht danach, ob der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, leistungsfähig ist oder nicht. Das Gesetz stellt vielmehr auf die Vermutung ab, dass diesem Kind ggü. Unterhaltsleistungen erbracht werden, die die Bezugsberechtigung rechtfertigen. Aus diesem Grunde unterscheidet die Vorschrift auch nicht zwischen Minderjährigen- und Volljährigenunterhalt. Zwar entfällt der Betreuungsunterhalt mit der Volljährigkeit des Kindes. Daraus folgt, dass die Versorgungsleistungen des versorgenden Elternteils keine Unterhaltsleistungen darstellen, wenn dieser nicht leistungsfähig ist und deswegen keinen Unterhalt schuldet. Gleichwohl hat der nicht leistungsfähige Elternteil Baraufwendungen in Höhe der anteiligen Miet- und Verpflegungskosten. Den mit der Versorgung des Kindes auch nach dessen Volljährigkeit verbundenen finanziellen Aufwand hatte der Gesetzgeber im Auge, als er die Bezugsberechtigung auch über die Volljährigkeit hinaus an das Obhutsprinzip anknüpfte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der das Kind unterstützende Elternteil den barunterhaltspflichtigen Elternteil durch seine Zuwendungen im Regelfall auch finanziell entlastet. Dadurch dass er das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat, bewirkt er, dass sich der Bedarf des Kindes gerade wegen des Zusammenlebens nach der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle richtet und nicht mit dem festen Bedarfssatz von 600 Euro anzusetzen ist. Würde der versorgende Elternteil die Verpflegung und den Wohnbedarf des Kindes nicht sicherstellen, müsste dieser einen eigenen Hausstand begründen. Dann könnte er den festen Bedarfssatz von 600 Euro in Anspruch nehmen, den der barunterhaltspflichtige Elternteil allein aufbringen müsste. Zwar übersteigt der vom Beklagten geschuldete Tabellenbetrag gemäß der 13. Einkommensgruppe und 4. Altersstufe mit 654 Euro den festen Bedarfssatz von 600 Euro. Dies entkräftet das vorhergehende Argument jedoch nicht, da es sich hier um einen typischen Fall handelt, in dem der feste Bedarfssatz bei eigenem Haushalt des unterhaltsberechtigten Volljährigen angehoben werden müsste. Dies lässt die Dü...

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