Leitsatz (amtlich)

Stellt ein Arbeitgeber seinen Arbeitsnehmern für die Heimfahrt von einer betriebsfernen Arbeitsstätte einen betriebseigenen Pkw zur Verfügung und trägt er auch die anfallenden Kosten, handelt es sich um einen "Sammeltransport" im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch dann, wenn der Pkw lediglich von zwei Arbeitnehmern benutzt wird, die sich bei der Heimfahrt abwechseln. Ereignet sich dabei ein Verkehrsunfall, greift deshalb das Haftungsprivileg der §§ 104, 105 SGB VII, weil es sich um einen Betriebswegeunfall handelt.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 28.11.2012; Aktenzeichen 9 O 2895/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG Dresden vom 28.11.2012 - 9 O 2895/09 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - wie folgt abgeändert und neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeweils 30 %, die Beklagten zu 1) und 2) darüber hinaus als Gesamtschuldner weitere 40 % des materiellen wie immateriellen Schadens aus dem Verkehrsunfall vom 28.11.2008 zu ersetzen, vorbehaltlich des Übergangs der Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger 1/2, die Beklagten zu 1) bis 4) samtverbindlich 6/20 und die Beklagten zu 1) und 2) samtverbindlich weitere 4/20. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt der Kläger 3/10 und der Beklagte zu 1) 7/10. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen diese 7/10 und der Kläger 3/10. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) tragen diese 3/10 und der Kläger die restlichen 7/10. Ebenso trägt er 7/10 der Kosten der Beklagten zu 4); diese trägt 3/10 ihrer außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Es verbleibt bei dem Streitwertbeschluss vom 19.6.2013.

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) hat teilweise Erfolg.

1. Die Parteien streiten im Rahmen einer Feststellungsklage um Forderungen aus einem Straßenverkehrsunfall. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das LG hat mit Endurteil vom 28.11.2012, dem Kläger zugestellt am 3.12.2012, die Klage im Verhältnis zu den Beklagten zu 3 und 4 ganz, im Übrigen teilweise abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 19.12.2012 eingelegte und mit am 30.1.2013 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.

Das LG gehe rechtsirrig davon aus, dass die Beklagten zu 3) und 4) dem Kläger überhaupt nicht hafteten und im Verhältnis zu den Beklagten zu 1) und 2) die Sperrregelung der §§ 104, 105 SGB VII greife. Für den Kläger sei insbesondere uninteressant, inwieweit, gemessen an § 17 StVG, im Verhältnis der Beklagten zu 3) und 4) zu den Beklagten zu 1) und 2) eine Ersatzpflicht scheitere. Die Frage des Regresses der Haftpflichtversicherer untereinander habe den Kläger nicht zu interessieren. Den Kläger jedenfalls treffe an dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall keinerlei eigenes Verschulden und ihm sei auch keine etwaige Betriebsgefahr entgegenzuhalten. An der Gesamtschuldnerschaft der Unfallbeteiligten ihm gegenüber könne vorliegend kein vernünftiger Zweifel bestehen. Unerheblich sei auch, dass ein Wegeunfall Ansprüche auch aus der gesetzlichen Unfallversicherung auslöse. Die Sperrregelung der §§ 104, 105 SGB VII greife nur dann, wenn sich der Versicherte in die betriebliche Sphäre begebe, also in den Bereich, der der Organisation des Unternehmers und dessen Ordnungsgewalt unterliege. Die Heimfahrt vom Arbeitsplatz und die Fahrt zur Arbeitsstelle unterlägen aber grundsätzlich der privaten Sphäre. Zwar bestehe bei Fahrgemeinschaften, wie im vorliegenden Fall zwischen dem Kläger und dem Zeugen D, regelmäßig gesetzlicher Unfallversicherungsschutz gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 lit. b SGB VII (Wegeunfall); der Haftungsausschluss greife aber nicht, weil allein die Mitnahme von Arbeitskollegen (Fahrgemeinschaft) für sich genommen noch keine betriebliche Tätigkeit begründe. Zutreffend sei nur, dass der Kläger als Beifahrer seines Kollegen im Auto des Arbeitgebers unterwegs gewesen sei. Dabei habe es sich aber mitnichten um einen "Sammeltransport" gehandelt, was schon begrifflich voraussetze, dass zumindest mehr als zwei Arbeitskollegen die Transportmöglichkeit nutzten. Der Kläger und der Zeuge D seien völlig frei in der Gestaltung ihres Nachhausewegs am Wochenende gewesen, insbesondere auch dari...

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