Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgewährklage des Insolvenzverwalters nach Insolvenzanfechtung: Umfang der Beweislast bei Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung im Drei-Personen-Verhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verlangt der Insolvenzverwalter die Rückgewähr einer nach § 134 Abs. 1 InsO angefochtenen unentgeltlichen Leistung, trifft ihn die Beweislast für die Anfechtungsvoraussetzung der Unentgeltlichkeit (Rz. 18).

2. Liegt anfechtungsrechtlich ein "Zwei-Personen-Verhältnis" zwischen dem Schuldner als Verfügenden und dem Zuwendungsempfänger vor, ist die Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine Gegenleistung zufließen soll, die dem aufgegebenen Vermögenswert entspricht (Anschluss BGH, 16.11.2007 - IX ZR 194/04, NJW 2008, 655) (Rz. 16).

3. Liegt hingegen ein "Drei-Personen-Verhältnis" vor, an dem neben dem Schuldner und dem Zahlungsempfänger noch ein Dritter beteiligt ist, ist nicht entscheidend, ob der Verfügende selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Eine die Unentgeltlichkeit ausschließende Gegenleistung des Zuwendungsempfängers kann darin liegen, dass er durch den Empfang der Leistung eine werthaltige Verbindlichkeit ggü. dem Dritten begründet, etwa als Treuhänder für ein von ihm verwaltetes Bankkonto (Anschluss BGH, 16.11.2007 - IX ZR 194/04, NJW 2008, 655) (Rz. 17).

 

Normenkette

InsO § 134 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen IX ZR 16/09)

LG Dresden (Urteil vom 18.06.2007; Aktenzeichen 10 O 3786/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen IX ZR 16/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dresden - Az.: 10 O 3786/06 - vom 18.6.2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte oder deren Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

- Gegenstandswert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Klägers: 429.359,31 EUR -

 

Gründe

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag am 1.8.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), die bis zum 31.12.2002 als O. gesellschaft mbH (im Folgenden auch: O.) firmierte und im hier maßgeblichen Zeitraum durch den - ab dem 6.12.2002 nicht mehr alleinigen, jedoch mit Einzelvertretungsbefugnis ausgestatteten - Geschäftsführer A. J. geleitet wurde. Dieser war zugleich einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer bzw. persönlich haftender Gesellschafter der beiden Gesellschafterinnen der Schuldnerin, nämlich der M. GmbH und der vormals als J. & S. KG firmierenden J. I. KG. Deren alleinige Kommanditistin wiederum war und ist die Ehefrau von A. J., die Beklagte.

Im "Wärmelieferungsvertrag" vom 27.11./5.12.2002 (Anlage K 4) übertrug die Schuldnerin der E. und ... GmbH (im Folgenden: E. GmbH oder EC.) vom 1.1.2003 an für die Dauer von mindestens 20 Jahren die Versorgung ihres Mietwohnungsbestands mit Fernwärme. In einer zugleich abgeschlossenen "Sondervereinbarung" (Anlage K 5), an welcher die J. & S. KG gemeinsam mit der Schuldnerin als "Kunde" beteiligt war, versprach die EC. GmbH als "Lieferant" dem "Kunden" für dessen "Leistung", nämlich der Eingehung der Verpflichtung zum "ausschließlichen Bezug von Wärme durch den Lieferanten" für die Dauer von mindestens 20 Jahren, eine "Gegenleistung" in Gestalt einer einmaligen Zahlung i.H.v. 490.840 EUR nebst Umsatzsteuer, die "rechnerisch gleichermaßen auf 240 Monate der Vertragslaufzeit verteilt" wurde. Mit Schreiben vom 5.12.2002 (Anlage K 6) unterrichtete die EC. GmbH den Notar Dr. H. N. mit Amtssitz in ... vom wesentlichen Inhalt der vorbezeichneten Verträge. Sie bat um die Einrichtung eines Notaranderkontos, auf das - so die Absenderin, "um auch der O. entsprechende Sicherheit für Insolvenz der EC. zu gewähren", die Einmalzahlung zunächst "zu treuen Händen" angewiesen werde und das "ohne weiteres auf den Namen der O. und der J. & S. KG lauten" könne. Nachdem der Notar weisungsgemäß ein Anderkonto bei der. bank AG eingerichtet und die EC. GmbH die Einmalzahlung darauf geleistet hatte, erklärte diese ihm ggü. mit Schreiben vom 27.12.2002 (Anlage K 7) die "Freigabe" und bat, "den Betrag entsprechend auszukehren". Daraufhin veranlasste der Notar mit einem an die ... bank AG gerichteten Schreiben vom 30.12.2002 (Anlage K 10) von dem Notaranderkonto "Blitzüberweisungen" über 140.000 EUR auf ein Konto der. versicherung und über 429.324 EUR auf ein Konto der Beklagten, die noch am selben Tag ausgeführt wurden (Anlage K 9). Dem zugrunde lag eine schriftliche Anweisung vom 12.12.2002 (...

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