Leitsatz (amtlich)

1. Die Pfändung und Überweisung der Ansprüche des Versicherungsnehmers aus einem Lebensversicherungsvertrag erfasst auch die Befugnis ein (widerrufliches) Bezugsrecht eines Dritten zu widerrufen.

2. Die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und die Anweisung an den Drittschuldner, gepfändete Beträge auf ein von der Klägerin benanntes Konto zu überweisen, genügt für einen Widerruf der Bezugsberechtigung nicht.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Urteil vom 16.10.2006; Aktenzeichen 2-O-584/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Chemnitz vom 16.10.2006 - Az. 2 O 584/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 16.8.2004 (K 4) aus einer von dem am 19.3.2005 verstorbenen Versicherungsnehmer S S abgeschlossenen Lebensversicherung in Anspruch. Die Parteien streiten darüber, ob eine zugunsten von Frau K S und in den Versicherungsvertrag aufgenommene widerrufliche Bezugsberechtigung durch diesen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss widerrufen wurde. Es wird im Übrigen auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit Urteil vom 16.10.2006 hat das LG die auf Zahlung von 26.846 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, es liege weder ein ausdrücklicher noch ein konkludenter Widerruf des Bezugsrechts vor, die Klägerin sei mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss lediglich an die Stelle des Versicherungsnehmers gerückt. Ihr sei zudem spätestens seit Ende August 2004 bekannt gewesen, dass ein Widerrufsrecht bestehe, das noch ausgeübt werden müsse. Von diesem Widerrufsrecht habe sie bis zum Tode des Versicherungsnehmers keinen Gebrauch gemacht.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist im Anschluss an das Urteil des OLG Köln vom 1.10.2001 (OLG Köln v. 1.10.2001 - 5 U 14/01, VersR 2002, 1544) der Auffassung, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei mit einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter oder den Versicherungsnehmer selbst vergleichbar und führe damit generell zum Widerruf der Bezugsberechtigung aus einer Lebensversicherung. Die Erklärung und Anweisung an den Drittschuldner, gepfändete Beträge an die Klägerin auf das dort benannte Konto zu überweisen, könne nur als Widerruf aufgefasst werden. Eine gegenläufige Erklärung der Beklagten, aus der die Klägerin habe entnehmen müssen, dass über den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinaus eine weitere Erklärung von ihr gefordert werde, sei nicht erfolgt und könne insb. deren Schreiben vom 24.8.2005 (K 5) nicht entnommen werden. Die Auffassung der Beklagten würde schließlich dazu führen, dass sie weder an die Begünstigte, die den Originalversicherungsschein nicht vorlegen könne, noch an die Vollstreckungsgläubigerin zahlen müsse.

Sie beantragt, die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an sie - die Klägerin - 26.836 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 23.4.2005 zu zahlen, hilfsweise Zug-um-Zug gegen Herausgabe des Orginalversicherungsscheins.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei allein auf die für den Erlebensfall versprochene Leistung zugegriffen worden. Für den Todesfall sei lediglich das Widerrufsrecht als Nebenrecht gepfändet, das Gestaltungsrecht aber in der Folge bis zum Tode des Versicherungsnehmers nicht ausgeübt worden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das LG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch aus §§ 1 Abs. 1 S. 2 VVG, 13 ALB i.V.m. §§ 829, 836 ZPO auf Auszahlung der Todesfallleistung hat. Das der Klägerin zustehende Pfändungspfandrecht ist nach Eintritt des Versicherungsfalles zugunsten der Bezugsberechtigten erloschen, § 166 Abs. 2 VVG.

1. Zwar wäre die Klägerin aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des AG Zwickau (zugestellt am 20.4.2004, Anlage K 4) zum Widerruf der Bezugsberechtigung berechtigt gewesen. An der Wirksamkeit dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hat auch die Beklagte keine Zweifel geäußert. Bei einer Vollstrek-kung in eine Lebensversicherung erfasst die Pfändung und Überweisung automatisch die Gestaltungsrechte als Nebenrechte mit (allg. Auffassung, vgl. BGHZ 45, 162, 165; OLG Köln v. 1.10.2001 - 5 U 14/01, VersR 2002, 1544; Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 836 Rz. 4; Hasse, VersR 2005, 15 ff.). Hierzu zählt ...

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