Leitsatz (amtlich)

1. Verantwortlicher Zustandsstörer i.S.d. § 5 SächsPolG ist nicht der Eigentümer einer von Dritten entwendeten Sache, wenn und solange er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist, erfolgversprechend auf die Sache einzuwirken.

2. Richtet sich eine polizeiliche Maßnahme zielgerichtet auch gegen das entwendete Eigentum eines Dritten (hier: Schuss auf einen gestohlenen Pkw), ist dieser Unbeteiligter i.S.v. § 7 SächsPolG.

3. Für die Entschädigung nach §§ 52, 53 SächsPolG kann von einer hälftigen Schadensteilung ausgegangen werden, wenn neben der Absicht, die entwendete Sache für den Eigentümer sicherzustellen, auch das Interesse an der öffentlichen Strafverfolgung und Dingfestmachung der Täter im Vordergrund standen. Abzustellen ist stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Aktenzeichen 5 O 389/02)

 

Tenor

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.392,18 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

(I) Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Pkw im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz.

Der Pkw des Klägers war von unbekannten Dritten entwendet worden. Nachdem die Polizei auf das als gestohlen gemeldete Fahrzeug aufmerksam geworden war, versuchte sie zuletzt, die Täter durch eine Straßensperre mittels eines quer zur Fahrbahn gestellten Polizeidienstfahrzeugs anzuhalten und so das Fahrzeug sicherzustellen. Die Täter fuhren allerdings auf den Halt gebietenden Polizeibeamten zu, so dass sich dieser mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen musste, und umfuhren das quer gestellte Polizeifahrzeug. Dabei gab der Polizist Schüsse auf das Fahrzeug des Klägers ab, um so das Fahrzeug zu stoppen. Dadurch wurde das Fahrzeug beschädigt. Es konnte, nachdem den Tätern trotz zweier Einschüsse im Fahrzeug die Flucht gelungen war, einige Zeit später an einem anderen Ort verlassen aufgefunden werden.

Der Kläger verlangt nunmehr Ersatz von 960,41 Euro für die notwendige Reparatur und 431,78 Euro für die Anmietung eines Ersatzwagens.

Der Kläger behauptet, die Polizei hätte die Möglichkeit gehabt, die Täter an einer anderen Stelle oder aber z.B. unter Einsatz eines Nagelbretts ohne Schusswaffeneinsatz zum Anhalten zu zwingen. Der Schusswaffeneinsatz sei zudem amtspflichtwidrig erfolgt.

Darüber hinaus hätten Mitarbeiter der KPI Freiberg mehrfach bestätigt, dass der Schaden durch den Beklagten reguliert werden würde, was jedenfalls eine amtspflichtwidrige Falschauskunft darstelle.

Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz, das erstinstanzliche – klageabweisende – Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.392,18 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz, die Berufung zurückzuweisen.

Er verneint ein amtspflichtwidriges Vorgehen seiner Polizeibeamten und bestreitet eine falsche Auskunft im Zusammenhang mit der Schadensregulierung. Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 52 ff. SächsPolG scheide aus, weil es sich bei dem Kläger als Eigentümer des hier als „Waffe” eingesetzten Fahrzeugs um einen Zustandsstörer i.S.v. § 5 SächsPolG handele. Auch sei der Kläger nicht „Unbeteiligter” i.S.v. § 7 SächsPolG. Schließlich sei ein Rückgriff auf die Institute des enteignungsgleichen wie des enteignenden Eingriffs aufgrund der als abschließend zu verstehenden Regelung des § 52 SächsPolG verwehrt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der widerstreitenden Rechtsauffassungen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

(II) Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg.

1. Dem Kläger steht gem. § 52 Abs. 1 S. 1 SächsPolG ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe der Hälfte der aufgewandten Reparatur- und Mietwagenkosten zu.

Diese Vorschrift begünstigt nur den „Unbeteiligten” i.S.d. § 7 Abs. 1 SächsPolG, gegen den sich polizeiliche Maßnahmen richten, ohne dass er Handlungsstörer oder Zustandsstörer i.S.d. §§ 4, 5 SächsPolG ist.

Der Kläger ist „Unbeteiligter” i.S.v. § 7 SächsPolG.

a) Handlungsstörer i.S.v. § 4 SächsPolG waren hier allein die Täter, die das Fahrzeug entwendet hatten und gegen den Willen des Klägers benutzten. Sie hatten durch die Entwendung und fortdauernde Nutzung des Fahrzeugs und den Durchbruch an der Polizeisperre die öffentliche Sicherheit und Ordnung gestört.

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten war der Kläger als Eigentümer des Fahrzeugs daneben auch nicht Zustandsstörer gem. § 5 SächsPolG.

Nach § 5 SächsPolG können Maßnahmen ggü. dem Eigentümer einer Sache oder ggü. demjenigen getroffen werden, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, sofern die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand eben dieser Sache bedroht oder gestört wird. Nach Entwendung des Fahrzeugs hatte der Kläger seine Sachherrschaft verloren. Aber auch aus dem Eigentum läs...

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