Leitsatz (amtlich)

1. Verspricht ein Versicherer eine Entschädigung, wenn "die zuständige Behörde aufgrund einer Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz den Betrieb schließt", ist der Deckungsumfang nicht auf sog. intrinsische Gefahren beschränkt.

2. Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die meldepflichtige Erkrankungen als "die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" definiert und diese sodann im Einzelnen auflistet, ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als abschließend zu verstehen; eine Erstreckung auf Betriebsschließungen aufgrund von SARS-COV 2/Covid-19 scheidet aus. Eine unangemessene Benachteiligung wegen einer Entkernung des Schutzdankens der Betriebsschließungsversicherung liegt hierin nicht.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 874/20)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 27.01.2021 - 8 O 874/20 - wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 66.780,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung für 30 Tage seit dem 21.03.2020. Er schloss als Inhaber des Gasthofes ... (Hotel mit Restaurant) in Dresden mit der Beklagten zum 01.02.2016 eine Betriebsschließungsversicherung. Die Versicherungsbedingungen enthalten unter anderem folgende Regelungen:

"§ 1 Was ist Gegenstand der Versicherung?

I. Welchen Versicherungsschutz bietet Ihnen die Betriebsschließungsversicherung?

Die Betriebsschließungsversicherung bietet Ihnen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger

1. den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche Betriebsangehörige Tätigkeitsverbote erhalten;

(...)

II. Wann ist der Versicherungsfall gegeben?

Ein Versicherungsfall ist:

1. im Falle des Abs. I. Nr. 1: die behördliche Anordnung der Schließung;

(...)

III. Welche Krankheiten und Krankheitserreger sind meldepflichtig?

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger sind die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

1. Krankheiten:

- Botulismus,

...

2. Krankheitserreger:

- Adenoviren,

...

§ 4 Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

(...)

4. Krankheiten und Krankheitserreger:

Wir haften nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf."

Das Coronavirus ist in der Aufzählung nicht enthalten. Mit der Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 20.03.2020 zum Schutz vor dem Coronavirus wurde die Schließung von Gaststätten - mit Ausnahme des Außer-Haus-Verkaufes - angeordnet. Übernachtungsangebote wurden nur zu notwendigen und ausdrücklich nicht zu touristischen Zwecken gestattet. Aufgrund weiterer Allgemeinverfügungen und Verordnungen blieb die Schließung bis 14.05.2020 angeordnet. Der Kläger forderte die Beklagte zur Regulierung des Schadens auf. Mit Schreiben vom 08.04.2020 (Anlage K7) lehnte die Beklagte ihre Eintrittspflicht ab.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein Anspruch aus der Versicherung zusteht. Das Corona-Virus sei zwar nicht in der Liste der meldepflichtigen Krankheiten und Erreger aufgeführt, jedoch gehe aus den Versicherungsbedingungen auch nicht hervor, dass die Aufzählung abschließend sei. Unklarheiten bei der Auslegung gingen zu Lasten des Verwenders. Die Bezugnahme auf die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes führten dazu, dass Änderungen auf den Versicherungsvertrag durchgreifen. Ob die Schließung aus generalpräventiven Gründen erfolgt sei und wegen der Ausgangsbeschränkungen ohnehin keine Gäste gekommen wären, sei unerheblich. Die Maßnahmen beruhten auf dem Infektionsschutzgesetz. Es komme auch nicht darauf an, dass die Gefahr innerhalb des Betriebes aufgetreten sei. Ein Außer-Haus-Verkauf von Speisen sei nicht in Betracht gekommen, weil eine diesbezügliche Nachfrage für den Betrieb des Klägers nicht existiere. Er habe ausschließlich Geschäftsreisende beherbergt, um die Umsatzeinbuße so gering wie möglich zu halten. Entschädigungsleistungen habe er beantragt, aber nicht erhalten.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es bestehe kein Versicherungsschutz, weil das neuartige Corona-Virus nicht im Katalog in den Versicherungsbedi...

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