Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit eines Teilurteils gegen einen Beklagten, wenn gegen einen anderen Beklagten das Verfahren nach § 149 ZPO ausgesetzt ist.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 09.06.2011; Aktenzeichen 4 O 263/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des LG Leipzig vom 9.6.2011 - 4 O 263/09, einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten des Berufungsverfahrens, die nicht erhoben werden - an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB oder § 32 KWG sowie aus § 826 BGB gegen die Beklagten geltend. Der Kläger hatte am 13.6.2003 eine Inhaberteilschuldverschreibung der W L -W (im Folgenden auch: W) erworben; dem Erwerb lag ein Verkaufsprospekt zugrunde. Der Beklagte zu 1) war Vorstand der W, der Beklagte zu 2) Hauptaktionär; seine als Einzelhandelsunternehmen geführte F.. I.. hielt 74 % der Aktien und war mit dieser durch einen Gewinnabführungsvertrag verbunden. Am 1.9.2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der W L - AG eröffnet.

Mit Beschluss vom 23.9.2010 hat das LG das Verfahren (nur) gegen den Beklagten zu 2) unter Bezugnahme auf zwei Strafverfahren, die beide beim LG Leipzig anhängig waren und die sich beide u.a. gegen beide Beklagten richten, ausgesetzt.

Mit Teilurteil vom 18.4.2011 hat das LG die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen. Dieses Urteil ist an die Parteivertreter zugestellt worden. Dabei weisen die Empfangsbekenntnisse der Prozessbevollmächtigten der beiden Beklagten Zustellungen vom 14.6.2011 bzw. 20.6.2011 aus. Laut Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist ihm das Urteil erst am 4.7.2011 zugestellt worden.

Der Kläger hat mit einem am 1.8.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsschrift - mit einem am 27.9.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger rügt die Abweisung der Klage im Hinblick auf Prospekthaftungsansprüche sowie eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Ausgangsgericht hinsichtlich der Verneinung deliktischer Ansprüche.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des Teilurteils des LG Leipzig vom 9.6.2011 (Az.: 4 O 263/09) den Beklagten zu 1) zu verurteilen, gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2) an ihn 10.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte des Klägers betreffend die Inhaberteilschuldverschreibungen der W L -W, verzinslich mit 6,75 %, Nennbetrag gesamt 10.000 EUR (WKN 571035), Nr. 24043 bis 24046 auf die Beklagten sowie

2. festzustellen, dass sich der Beklagte zu 1) mit der Annahme der Gegenleistung gemäß vorstehender Ziff. 1) in Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte zu 1) beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, und hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1) verteidigt die angefochtene Entscheidung. Zudem rügt er, dass die Berufung unzulässig sei, da das vom Klägervertreter im Empfangsbekenntnis angegebene Zustellungdatum 4.7.2011 nicht als tatsächlicher Zeitpunkt der Zustellung zugrunde gelegt werden könne. Da die Urteilsausfertigungen zeitgleich an die drei Prozessbevollmächtigten abgesandt worden seien, sei davon auszugehen, dass der Klägervertreter wie die Prozessbevollmächtigten der Beklagten das Urteil tatsächlich früher als im Empfangsbekenntnis angegeben erhalten habe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei nicht berechtigt, durch schuldhafte Verzögerung der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses den Lauf der Rechtsmittelfrist herauszuschieben.

II. Die Berufung ist zulässig (nachfolgend 1.). Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Teilurteils nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Satz 3 ZPO. Die Entscheidung des restlichen Rechtsstreits im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) umfasst zumindest Vorfragen, die auch für die Entscheidung der Klage gegen den Beklagten zu 1) erheblich sind; mithin ist das Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil durch die angefochtene Entscheidung nicht gewahrt (nachfolgend 2.). Im Einzelnen:

1. Die Berufung ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1) hat der Kläger die Frist des § 517 ZPO gewahrt, auch wenn die Empfangsbekenntnisse der beiden Prozessbevollmächtigten der Beklagten einen deutlich früheren Empfangszeitpunkt der zeitgleich versandten Urteilsausfertigungen ausweisen als das Empfangskenntnis des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Dies mag die Vermutung rechtfertigen, dass der Kläger die Urteilsausfertigung...

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