Leitsatz (amtlich)

1. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG setzt voraus, dass die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des schadensauslösenden Ereignisses noch gegeben ist oder zumindest noch nachwirkt.

2. Daran fehlt es, wenn ein Kraftfahrzeug, das sich zur Reparatur in einer Werkstatt befindet, durch Selbstentzündung einer Betriebseinrichtung (hier aufgrund eines Kurzschlusses) einen Brandschaden verursacht, sofern dabei nicht eine durch einen vorherigen Betriebsvorgang entstandene Gefahrenlage fort- bzw. nachwirkt (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 26. März 2019, V ZR 236/18).

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Aktenzeichen 5 O 710/16)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.10.2020; Aktenzeichen VI ZR 374/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 31.01.2019, Aktenzeichen 5 O 710/16, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die in erster und zweiter Instanz entstandenen Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Gebäudeversicherer der durch ein Brandereignis vom 15.12.2012 geschädigten O... GmbH, die eine Kraftfahrzeugwerkstatt betreibt, gegenüber der Beklagten als Haftpflichtversicherer eines Lastkraftwagens (LKW), deren Halterin die Galvanotechnik B... GmbH war, aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche geltend.

Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie des Vortrags und der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Chemnitz vom 31.01.2019 Bezug genommen.

Das Landgericht hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 17.01.2017 (Bl. 51 ff.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu folgenden Behauptungen der Klägerin erhoben:

  • Ursache für den Brand sei ein Kurzschluss der Fahrzeugelektrik des streitgegenständlichen LKW (da u.a. das Kabel 30 und das Modul A 65 trotz ausgeschalteter Zündung unter ständiger elektrischer Spannung stehen)
  • die Brandursache stand in keinem Zusammenhang mit dem Reparaturauftrag der Firma O... GmbH und in keinem Zusammenhang mit ausgeführten Arbeiten der Werkstatt.

Auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Physiker U... D... vom 19.02.2018 (separat bei der Akte), dessen ergänzende schriftliche Ausführungen vom 28.09.2018 (Bl. 100) zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.2018 (Bl. 88) sowie die Erläuterung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 (Bl. 118) wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 31.01.2019 - abgesehen von einem geringfügigen Teil der Nebenforderungen - stattgegeben und die Beklagte in der Hauptsache verurteilt, eine Million Euro an die Klägerin zu zahlen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens beanstandet sie die Beweiswürdigung des Landgerichts und ist überdies der Auffassung, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer Gefährdungshaftung nach § 7 StVG nicht erfüllt seien, weil sich keine von der Vorschrift umfasste Betriebsgefahr verwirklicht habe und einer Haftung § 8 Nr. 2 StVG sowie das Mitverschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin entgegenstehe.

Im Hinblick auf die Sachverhaltsfeststellungen des Landgerichts meint die Beklagte, es sei nicht geklärt worden, welcher Betriebsvorgang oder welche Betriebseinrichtung des LKW zum Entstehen des Brandes beigetragen habe. Offen geblieben sei, ob der Brand auf einem elektrischen Defekt beruhe oder aufgrund von Reparaturmaßnahmen der Versicherungsnehmerin der Klägerin verursacht worden sei. Der Sachverständige habe nicht ausschließen können, dass an dem Fahrzeug im Zusammenhang mit dessen Reparatur Beschädigungen herbeigeführt worden seien, die ihrerseits zu einem Kurzschluss geführt haben könnten. Daher sei ein Vollbeweis nach § 286 ZPO für die Brandverursachung durch den LKW nicht geführt. Der Anregung der Beklagten, einen Sachverständigen für Fahrzeugtechnik hinzuziehen, sei das Landgericht nicht gefolgt.

In rechtlicher Hinsicht ist die Beklagte der Auffassung, dass das Tatbestandsmerkmal des § 7 StVG "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" nur erfüllt sei, wenn sich in dem Unfall eine Gefahr realisiere, die von dem Kraftfahrzeug in seiner Eigenschaft als Verkehrsmittel ausgehe. Hier bestehe im Hinblick auf das Brandereignis keine zeitliche Nähe zu einem Betriebsvorgang. Der Beginn der Reparatur unterbreche insoweit jeglichen Zusammenhang. Eine Haftung wegen Verwirklichung der Betriebsgefahr scheide aus, wenn ein Fahrzeug nicht lediglich geparkt werde, sondern aus ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge