Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach dem Wegfall des Lokalisierungsgebots zum 1.1.2000 kann im Rahmen von Prozesskostenhilfe eine Beschränkung der Beiordnung eines Rechtsanwalts "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" grundsätzlich auf § 121 Abs. 3 ZPO gestützt werden.

2. Die uneingeschränkte Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts kommt in Familiensachen wegen der hier einer Partei grundsätzlich zustehenden Erstattung der ihr entstehenden Fahrtkosten für Informationsgespräche mit einem am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt schon dann in Betracht, wenn die dem auswärtigen Rechtsanwalt entstehenden Reisekosten die der Partei zu erstattenden Fahrtkosten nicht wesentlich übersteigen.

 

Verfahrensgang

AG Weißwasser (Beschluss vom 18.05.2006; Aktenzeichen 2 F 106/06)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Weißwasser vom 18.5.2006 - Az.: 2 F 106/06 - dahin abgeändert, dass die im Rahmen der Beiordnung ausgesprochene Beschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" entfällt.

2. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wohnt wie der Antragsgegner in 02906 Niesky; örtlich zuständig für den mit Schriftsatz vom 5.4.2006 eingereichten Antrag auf Ehescheidung ist das FamG beim AG in 02943 Weißwasser. Die Antragstellerin hat mit der Ehescheidung eine Rechtsanwältin aus 02826 Görlitz beauftragt, die zugleich mit dem Antrag auf Ehescheidung einen Prozesskostenhilfeantrag beim FamG eingereicht hat. Die Entfernung zwischen dem Wohnort der Antragstellerin und dem AG beträgt 33,6 km, die Entfernung zwischen der Rechtsanwaltskanzlei in Görlitz und dem AG beträgt 57,2 km.

Das AG hat der Antragstellerin durch Beschluss vom 18.5.2006 Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung der für die Antragstellerin tätigen Rechtsanwältin aus Görlitz bewilligt, aber angeordnet, dass die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts erfolge. Ihr Einverständnis zu dieser Einschränkung hat die Rechtsanwältin nicht erteilt. Der Beschluss des FamG ist der Rechtsanwältin am 24.5.2006 zugegangen. Mit der am 29.5.2006 eingegangenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin das Ziel, dass eine Beiordnung ohne Einschränkung erfolge. Zur Begründung verweist die Antragstellerin auf die Änderung von § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO und § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO; nach der neuen Rechtslage sei der beim Prozessgericht zugelassene, aber nicht ortsansässige Rechtsanwalt nicht mehr gehindert, seine Reisekosten geltend zu machen.

Das AG hat der Beschwerde durch Beschluss vom 7.6.2006 nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das AG die Auffassung vertreten, es sei nicht ersichtlich, dass die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts notwendig sei, da im Amtsgerichtsbezirk von Weißwasser genügend Rechtsanwälte zur Vertretung der Antragstellerin zur Verfügung stünden.

II.1. Die Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft auch im Übrigen zulässig, insb. form- und fristgerecht nach § 569 Abs. 1, 2 ZPO eingelegt.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, der Antragstellerin ist Rechtsanwältin Schmidtmann aus Görlitz ohne die vom AG vorgenommene Einschränkung beizuordnen.

2.1. Das AG hat die Versagung der beantragten uneingeschränkten Beiordnung der Rechtsanwältin auf § 121 Abs. 3 ZPO gestützt. Danach kann ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

2.2. Diese Vorschrift verlangt grundsätzlich auch nach dem Wegfall des Lokalisierungsgebots durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 17.12.1999 (BGBl. I, 2448) weiterhin Gültigkeit (herrschende Meinung, vgl. nur OLG Brandenburg v. 23.2.2005 - 9 WF 314/04, OLGReport Brandenburg 2005, 562 = FamRZ 2005, 2005; OLG Karlsruhe v. 21.7.2005 - 17 W 30/05, OLGReport Karlsruhe 2005, 820 = NJW 2005, 2718; OLG Nürnberg v. 6.10.2004 - 10 WF 3403/04, MDR 2005, 539 = OLGReport Nürnberg 2005, 218 = NJW 2005, 687; OLG Düsseldorf v. 29.6.2004 - II-10 WF 21/04, OLGReport Düsseldorf 2005, 72 = Rpfleger 2004, 709; KG v. 7.4.2005 - 16 WF 21/05, KGReport Berlin 2005, 935 = FamRZ 2005, 2006; OLG Köln MDR 2005, 1130; OLG Hamm FamRZ 2006, 350; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.10.2005 - 5 WF 190/05 - (zitiert nach juris); Musielak-Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 121 Rz. 18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 121 Rz. 58, jeweils m.w.N.).

2.3. Soweit vereinzelt vertreten wird, durch den mit der Einführung des RVG erfolgten Wegfall von § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO und § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. fehle es an einer Rechtsgrundlage für eine Einschränkung der Beiordnung zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht ortsansässigen Rechtsanwalts (OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.1.2006 - 3 UF 45/05, MDR 200...

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