Leitsatz (amtlich)

1. Ersatzfähig sind, unter den üblichen Voraussetzungen, auch die Reisekosten eines Anwalts, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist.

2. § 15a Abs. 2 RVG ist für Prozessvergleiche, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen sind, regelmäßig ohne Bedeutung.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 1; RVG § 15a Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Beschluss vom 20.11.2009; Aktenzeichen 5 O 3201/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 13.09.2011; Aktenzeichen VI ZB 9/10)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Dresden vom 20.11.2009 (5-O-3201/06) geändert.

Die von der Beklagten der Klägerin nach dem am 10.6.2009 vor dem OLG Dresden geschlossenen Prozessvergleich zu erstattenden Kosten werden auf 11,76 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.6.2009 festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.

3. Gerichtsgebühren werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Wert der Beschwerde: 215,79 EUR

5. Die Rechtsbeschwerde wird für beide Parteien zugelassen.

 

Gründe

Nach dem oben näher bezeichneten und mit einer "umfassenden" Abgeltungsklausel versehenen Prozessvergleich, der den Streit über Ansprüche aus einem klägerseits behaupteten und der Beklagten wegen Verletzung ihrer Streupflicht angelasteten Unfall beendete, trägt die Klägerin 7/12, die Beklagte 5/12 der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen (GA II 206). Die Klägerin wohnt in G, knapp 60 km von Dresden entfernt. Ihr Prozessbevollmächtigter ist in R niedergelassen. R gehört zu dem Bezirk des LG Dresden, das erstinstanzlich mit der Klage befasst war und ist etwa 45 km von Dresden entfernt.

Die klägerischen Prozessbevollmächtigten waren bereits vorgerichtlich zum Gegenstand der Klage tätig. Die Klägerin hat daher, nach Abschluss der ersten Instanz, nur die Kosten einer ermäßigten Verfahrensgebühr zur Festsetzung angemeldet, nach Abschluss des Vergleichs hieran festgehalten und erst nach einem Hinweis der Rechtspflegerin auf § 15a RVG erklärt, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr sei nicht mehr vorzunehmen (GA I 173, II 229, 230).

Im anschließenden Beschluss der Rechtspflegerin sind 132,62 EUR zugunsten der Klägerin festgesetzt, unter Einbeziehung der Kosten einer "vollen" Verfahrensgebühr und anwaltlicher Reisekosten auf Klägerseite. Das hält die Beklagte für falsch, stellt daher den Kostenfestsetzungsbeschluss im Wege der Beschwerde zur Überprüfung durch das OLG. Auf Klägerseite seien die anwaltlichen Reisekosten nach der (auch hier) geltenden Fassung des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO zu streichen. Zur Verfahrensgebühr dürfe nur mit einem Gebührensatz von 0,65 gerechnet werden, weil vom Gesetz so vorgegeben, ohne dass der nun eingefügte § 15a RVG etwas ändere. Denn dieser erfasse, wie vom X. Zivilsenat des BGH erst jüngst entschieden, den Streitfall nicht.

Die Klägerin meint, die Beschwerde sei unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR nicht übersteige.

Zu den Einzelheiten verweist der Senat, der, nach Übertragung durch den Einzelrichter, in der Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG entscheidet, auf die Schriftsätze, die die Parteien zum Festsetzungs- und Beschwerdeverfahren eingereicht haben (GA I 171 und 173, GA II 209 ff.).

II. Die bei Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 25.11.2009 (GA II 236) unter dem 9.12.2009 per Fax beim LG zeitgerecht eingelegte Beschwerde ist, auch im Übrigen, zulässig. Die Beklagte bringt vor, der angefochtene Beschluss beschwere sie zu 215,79 EUR (GA II 241). Das ist für § 567 Abs. 2 ZPO entscheidend und ausreichend.

Die Beschwerde hat nur teils Erfolg. Ihr Einwand zu den Reisekosten ist grundlos. Zur anwaltlichen Verfahrensgebühr auf Klägerseite ist hingegen in der Tat nur mit 0,65 zu rechnen.

1. Reisekosten

Aus § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO folgt nicht, dass Reisekosten eines Anwalts, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, die Ersatzfähigkeit abzusprechen wäre. Beim Wort genommen gibt er vielmehr Gegenteiliges vor. Reisekosten eines solchen Anwalts sind, sofern angefallen, stets zu erstatten, also unabhängig von der Notwendigkeit seiner Zuziehung. Ob dem so ist, kann offen bleiben. Da die Klägerin in G wohnt, war die Einschaltung eines in R niedergelassenen Rechtsanwaltes eine Maßnahme notwendiger Rechtsverfolgung i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1, Halbs. 2 ZPO, zumal R nur knapp 20 km von G entfernt und näher an den Dresdner Prozessgerichten gelegen ist (st. Rspr. des BGH, grundlegend B. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02; zum Anwalt am dritten Ort vgl. etwa BGH, B. v. 18.12.2003 - I ZB 21/03).

Den Anfall und die Höhe der Reisekosten beanstandet die Beklagte nicht. Dafür gibt es auch keinen Anlass (RVG-VV 7003, 7005 Nr. 1, Vorbem. 7 Abs. 2 RVG-VV). Im Übrigen spart die Beklagte bei ihren Überlegungen aus, dass der seinerzeitige § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO zum 1.7.2004 (ersatzlos) gestrichen wurde, dies mit der Erwägung, auch die Reisekosten eines im ...

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