Leitsatz (amtlich)

Die Regelung in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO n.F. setzt nicht voraus, dass die Klage zugestellt ist.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 10 O 3069/02)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Dresden vom 8.10.2002, Az. 10-O-3069/02, hinsichtlich Ziffer 1 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.

2. Der Beklagte zu 2) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt 800 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin machte mit – am 5.8.2002 bei dem LG Dresden eingegangener – Klage vom 2.8.2002 gegen die Beklagten als Gesamtschuldner die Rückzahlung vereinnahmter Beiträge i.H.v. 53.222,72 Euro geltend. Die nach Eingang des Gerichtskostenvorschusses am 6.8.2002 mit Verfügung vom 20.8.2002 veranlasste Zustellung der Klage konnte lediglich ggü. dem Beklagten zu 1) am 24.8.2002 realisiert werden. Mit Schriftsatz vom 28.8.2002 teilte die Klägerin die Bezahlung der Hauptforderung am 27.8.2002 mit, erklärte den Rechtsstreit ggü. dem Beklagten zu 1) in der Hauptsache für erledigt und nahm hinsichtlich des Beklagten zu 2) die Klage zurück mit dem Antrag, die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldnern gem. §§ 91a Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO aufzuerlegen. Der Beklagte zu 1) stimmte der Erledigung am 27.9.2002 zu. Nach dem Beschluss des LG Dresden vom 8.10.2002 tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) die Gerichtskosten je zur Hälfte; die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin, diejenige der Klägerin trägt hälftig der Beklagte zu 1), im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 29.10.2002 insoweit, als dem Beklagten zu 2) gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht ebenfalls die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 18.12.2002 nicht abgeholfen und den Rechtsstreit dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. § 269 Abs. 5 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist. Mit der für nach dem 1.1.2002 anhängige Verfahren geltenden Vorschrift wollte der Gesetzgeber den unbefriedigenden Rechtszustand bei Erfüllung vor Rechtshängigkeit lösen. Zweifelhaft ist, ob die Regelung in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO voraussetzt, dass die Klage zugestellt ist, also ein Prozessrechtsverhältnis vorliegt.

1.1 Nach einer Auffassung kann die Rücknahme der Klage auch vor Zustellung der Klage an den Gegner erklärt werden. Eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten nach der Neuregelung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO soll jedoch nur möglich sein, wenn bereits ein Prozessrechtsverhältnis entstanden, also die Klage zugestellt ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269 Rz. 8a; LG Münster, NJW-RR 2002, 1221). Nach Auffassung des LG Münster (NJW-RR 2002, 1221) kann der Anwendungsbereich des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bei einer Prozesslage – wie vorliegend – nur dadurch eröffnet werden, dass die ursprüngliche Klage verbunden mit der Rücknahmeerklärung und dem Kostenantrag dem Beklagten zugestellt wird und damit in dem Umfang des noch bestehenden Streites, nämlich der Kostentragungspflicht, rechtshängig wird. Keine Veranlassung, die Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO durch die nachfolgende Zustellung der Klageschrift zu eröffnen, soll bestehen, wenn der Kläger dies nicht wünscht (OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.10.2002 – 7 WF 3134/02, zitiert nach Juris).

1.2 Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO auch Raum vor Klagezustellung besteht (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 269 Rz. 6; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 269 Rz. 18a; Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rz. 13). Dies wird u.a. daraus hergeleitet, dass über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, sofern die Klage unverzüglich zurückgenommen wird. Unverzüglich reagiert der Kläger, wenn er nicht schuldhaft zögert, wobei ihm zuzumuten ist, dass er ggf. nicht erst die „Klage”-Zustellung abwartet, sondern diese möglichst schon entbehrlich macht und so dem Gericht wie dem Gegner unnötige Befassung erspart (vgl. Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rz. 13).

1.3 Eine weitere Auffassung misst der Frage, ob die Klage zugestellt ist, also ein Prozessrechtsverhältnis vorliegt, keine Bedeutung bei, weil es sich bei § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO um einen Sondertatbestand handelt, der sich über die dogmatischen Anforderungen der Klagerücknahme hinwegsetzt (vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl.(Aktualisierungsband),§ 269 Rz. 4; Hartmann, NJW 2001, 2577 [2585]).

1.4 Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Die Begründung des Gesetzgebers...

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