Leitsatz (amtlich)

Stellt ein Kontoinhaber einer ihm unbekannten Person sein Girokonto mittels Überlassung der Online-Banking-Daten zur freien und unbeschränkten Verfügung, kann sich eine verschärfte Bereicherungshaftung nach § 819 Abs. 1 BGB im Einzelfall auch deswegen ergeben, weil sich der Kontoinhaber das Wissen des unbekannten Hintermanns entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss.

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Beschluss vom 20.07.2021; Aktenzeichen 8 U 840/21)

LG Chemnitz (Aktenzeichen 4 O 73/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 16.04.2021 - 4 O 73/21 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieser Beschluss und das angegriffene Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 16.04.2021 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.10.2021 wird aufgehoben.

5. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 60.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist offensichtlich unbegründet. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Sonstige Gründe, die eine mündliche Verhandlung gebieten könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Der Senat weist daher das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück.

I. Der Kläger überwies am 27.10.2020 im Zuge eines beabsichtigten Goldankaufs einen Betrag von 310.530,80 Euro auf ein von dem vermeintlichen Goldanbieter angegebenes Konto bei der ...bank M... (...bank), welcher unmittelbar nachfolgend an einen unbekannten Empfänger weitertransferiert wurde. Dieses Konto wurde kurze Zeit zuvor durch den Beklagten im eigenen Namen errichtet. Er überließ die Online-Banking-Zugangsdaten einer ihm persönlich unbekannten Person und ermöglichte dieser die Abwicklung von Zahlungsvorgängen über das Konto. Gestützt auf deliktische und bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen begehrte der Kläger, der keine Goldlieferung erhielt, gegenüber dem Beklagten die anteilige Rückgewähr des überwiesenen Geldbetrags.

Mit dem angegriffenen Urteil vom 16.04.2021 hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 60.000,00 Euro nebst Zinsen verurteilt und dabei eine deliktische Einstandspflicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 261, 263 StGB angenommen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zur Antragstellung wird auf die Darstellungen unter Ziffer I des Hinweisbeschlusses des Senats vom 20.07.2021 verwiesen. In diesem Beschluss hat der Senat unter Ziffer II begründet, weshalb die Berufung des Beklagten keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass jedenfalls eine bereicherungsrechtliche Haftung des Beklagten in Betracht komme.

Der Kläger hat auf die Berufungsbegründung des Beklagten mit Schriftsatz vom 05.08.2021 erwidert. Er beantragt die Zurückweisung der klägerseitigen Berufung und verweist darauf, dass bereits nach dem eigenen Vortrag des Beklagten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch durchgreife. Er vertritt überdies die Auffassung, dass auch die Berufungsangriffe gegen die vom Landgericht angenommene deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 261 Abs. 1, 2 und 5 StGB unbegründet seien.

Mit Schriftsatz vom 10.08.2021, auf den verwiesen wird, hat der Beklagte zum Hinweisbeschluss des Senats vom 20.07.2021 Stellung genommen. Er ist der Ansicht, dass nicht nur eine deliktische Haftung, sondern ebenso ein bereicherungsrechtlicher Anspruch ausscheide.

Er habe sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen zulässig mit Nichtwissen bestritten. Es entziehe sich seiner Kenntnis, wer, wann und aus welchem Anlass welchen konkreten Betrag auf das von ihm eröffnete Konto bei der ...bank überwiesen habe. Ebenso wenig sei ihm bekannt, ob ein Rechtsgrund für eingehende Zahlungen gegeben gewesen sei. Es liege weder ein Verstoß gegen seine sekundäre Darlegungslast noch ein eigenes Geständnis vor. Da einerseits der Kläger in den behaupteten Ankauf des Golds selbst eingebunden gewesen sei und der Beklagte andererseits außerhalb des Geschehens gestanden habe sowie in die betrügerischen Machenschaften nicht involviert gewesen sei, verkenne der Senat die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Es sei Aufgabe des Klägers, seinen vermeintlichen Kondiktionsanspruch herzuleiten.

Der Senat übersehe ferner, dass der unbekannte Täter weder als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Beklagten noch in seinem Auftrag als Wissensvertreter gehandelt habe. Im Verhältnis zwischen den Parteien könne daher keine Wissenszurechnung analog § 166 Abs. 1 BGB ...

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